Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)
Spannungen der Grundstruktur der UN -Friedenssicherung wie nie zuvor auf die Probe gestellt.
Verstärkt wurde dieses Problem durch den Managementstil, den Boutros-Ghali als Generalsekretär annahm. Insbesondere bemühte er sich, den Informationsfluss zum und vom Sicherheitsrat zu kontrollieren und einzuschränken. Fast alle für den Sicherheitsrat bestimmten Informationen gingen über seinen persönlichen Bevollmächtigten Chinmaya Gharekhan. Truppenkommandeuren wurde – ebenso wie der DPKO und deren Chef, dem Beigeordneten Generalsekretär – nur selten erlaubt, den Sicherheitsrat direkt ins Bild zu setzen. Ferner achtete Boutros-Ghali streng darauf, seine Kommunikation mit Vertretern und Führern der Mitgliedsstaaten sowie mit den Sonderbeauftragten des Generalsekretärs, die vor Ort die politische Seite der Friedensmissionen leiteten, persönlich unter Kontrolle zu behalten. Das hatte zur Folge, dass wir in der DPKO nie sicher sein konnten, wer was wusste und worauf man sich bei der konkreten Verwaltung und Leitung der Missionen geeinigt hatte. Unsere Abteilung war in eine UN -Kommandokette eingebunden, mit dem Generalsekretär und dem Sicherheitsrat über sich, während sie die Truppen bereitstellenden Staaten unterstützte, die ihrerseits das oberste Kommando über ihre Einheiten behielten.
Den Managementproblemen bei der Friedenssicherung in jener Zeit lag der Opportunismus mancher Mitgliedsstaaten zugrunde. Sie hatten zum Instrument der Friedenssicherung gegriffen, um ihre humanitären Ziele voranzubringen, indem sie unter der Flagge der UNO Truppen stationierten, deren Einsatz von der DPKO gemanagt wurde. Dabei wälzten sie oft genug jede Verantwortung von sich ab. Kurzfristig konnten sie so das Verdienst beanspruchen, gegen eine humanitäre Krise vorgegangen zu sein; gleichzeitig vermieden sie es jedoch, sich mit der harten Realität jener Situationen zu befassen. Sie taten wenig, um ihre Bevölkerungen und Parlamente auf die Aufgaben – und Risiken – vorzubereiten, vor denen ihre Truppen stehen würden. In der DPKO war uns klar, dass die Missionen Gewaltanwendung erforderten, und wir bemühten uns, dies klarzustellen. Aber die UN -Friedenssicherung war allzu lange als eine Aufgabe wahrgenommen worden, die für die beteiligten Truppen in der Regel so gut wie kein Risiko mit sich brachte, und die Friedenstruppen wurden weiterhin mit dieser Vorstellung im Kopf entsandt. Unter dem Etikett der »Friedenssicherung« schickten Regierungen Truppen in Bürgerkriegsgebiete, in denen vollkommen andere Verhältnisse herrschten als bei der traditionellen Friedenssicherung.
Somalia: Hunger und Bürgerkrieg
»Wenn man eine Vase fallenlässt und sie in drei Stücke zerbricht, nimmt man die Stücke und setzt sie wieder zusammen. Aber was macht man, wenn sie in tausend Stücke zerbricht?« So beschrieb Mohamed Sahnoun, der UN -Sonderbeauftragte für Somalia, das Dilemma, in dem sich das Land 1992 befand. Es hatte nicht lange gedauert, bis Somalia zerfallen war. Nachdem im Januar 1991 Präsident Siad Barré gestürzt worden war, hatte ein Machtkampf begonnen, in dessen Verlauf sich die eng geknüpfte Struktur aus Klan- und Verwandtschaftsnetzen im Land auflöste. Bis zum November 1991 eskalierten die Feindseligkeiten und erreichten schließlich die Hauptstadt Mogadischu, wo ein Kampf zwischen den Anhängern des Interimspräsidenten Ali Mahdi Mohamed und des Vorsitzenden des United Somali Congress, General Mohamed Farrah Aidid, tobte. Von diesem Zeitpunkt an zerfiel die Autoritätsstruktur des Landes, während immer mehr bewaffnete Splittergruppen und Gangs in den Krieg eingriffen – oder vielmehr in eine lückenlose Reihe ständig wechselnder Minikriege, aus denen sich der größere Konflikt zusammensetzte – und dafür sorgten, dass er ganz Somalia erfasste.
Humanitäre Organisationen der UNO waren seit März 1991, kurz nach Barrés Sturz, in Somalia tätig. Aber angesichts des sich ausbreitenden Konflikts und des mit ihm einhergehenden Zusammenbruchs der somalischen Gesellschaft reichte die UN -Präsenz nicht aus, um die schrecklichen Folgen für die Bevölkerung einzudämmen. Innerhalb weniger Monate verschwanden die Dienstleistungssysteme des Handels und der Lebensmittelverteilung. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung, 4,5 Millionen Menschen, waren von schwerer Unterernährung bedroht, und die Zahl derjenigen, für die unmittelbare Lebensgefahr bestand, wurde auf 1,5 Millionen geschätzt.
Die Bilder und
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