Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

aufgrund der Supermacht-Rivalität seiner beiden wichtigsten Mitglieder, der Vereinigten Staaten und der Sowjetunion, fast ständig blockiert gewesen. Gorbatschow hatte nun das Ende dieser Konfrontation und damit auch das Ende der Lähmung, die sie im Sicherheitsrat verursacht hatte, in greifbare Nähe gerückt.
    Für die Abteilung für Friedenssicherungseinsätze waren die Folgen zwar schwerwiegend, aber anfangs noch zu bewältigen. Vor 1988 hatte die UNO in 43 Jahren lediglich ein Dutzend solcher Einsätze durchgeführt. In der kurzen Zeitspanne von 1988 bis 1992 kamen weitere zehn hinzu. Der Sicherheitsrat war wie nie zuvor in der Lage, in seiner Reaktion auf Krisen, bei denen sich eine Intervention von Friedenstruppen anbot, eine Einigung zu erzielen. UN -Friedenstruppen wurden beispielsweise entsandt, um den Waffenstillstand zwischen dem Iran und dem Irak, den politischen Übergang in Nicaragua und den Rückzug der kubanischen Truppen aus Angola zu überwachen.
    Nach 1992 setzte dann eine explosionsartige Entwicklung ein, die nicht von einer friedenssichernden Mission ausgelöst wurde, sondern von der Operation »Desert Storm«. Als Reaktion auf den irakischen Einmarsch in Kuweit im Jahr 1990 nahm der Sicherheitsrat einmütig eine Resolution an, die, auf das siebte Kapitel der UN -Charta gestützt, ein Mandat für den vollen Einsatz militärischer Gewalt erteilte. Dies führte zur Aufstellung einer Truppe mit 956 000 Männern und Frauen aus 34 Ländern, die 1991 Kuweit befreite. Es war eine von der UNO gebilligte Koalition unter Führung der USA , die das Ergebnis eines offenkundigen Eroberungskrieges zwischen zwei Mitgliedsstaaten rückgängig machte – also genau die Aufgabe erfüllte, für welche die UNO gegründet worden war.
    Damit war das ganze Potential dieses neuen, aktiven Sicherheitsrats sichtbar geworden, und dies löste bei seinen Mitgliedern den Wunsch aus, die zentrale Rolle des Rats in Weltangelegenheiten weiter mit Leben zu erfüllen. Deshalb trat der Sicherheitsrat im Januar 1992 erstmalig auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs zusammen, um zu besprechen, wie dieses Ziel zu erreichen war. Generalsekretär Boutros Boutros-Ghali wurde beauftragt, einen Bericht darüber vorzulegen, wie die UNO in dem veränderten geopolitischen Klima genutzt werden konnte. Das von Boutros-Ghali vorlegte Dokument – Eine Agenda für den Frieden – konzentrierte sich auf die Bürgerkriege, die in verschiedenen Weltteilen für Unruhe sorgten. Diese Konflikte, hieß es in der Agenda , zögen jetzt in beispiellosem Maß die internationale Aufmerksamkeit auf sich. Der Sicherheitsrat müsse bei der Reaktion auf sie die Führung übernehmen.
    Entscheidend war indes, dass der Sicherheitsrat aufgefordert wurde, die Friedenssicherung mit ihrer langen Geschichte als erprobtes Instrument für die Verwirklichung der Agenda zu betrachten. Eine bisherige Hauptbedingung für fast alle friedenssichernden Einsätze, die volle Zustimmung aller Parteien des jeweiligen Konflikts zum Einsatz von UN -Friedenstruppen, sollte fallengelassen werden. Dazu war nur eine kleine Änderung am Text der Grundprinzipien der Friedenssicherung nötig, die aber potentiell gewaltige Implikationen in Bezug auf die Aufgaben, die den Friedenstruppen gestellt werden konnten, besaß.
    Als die Agenda für den Frieden veröffentlicht wurde, hatte der Sicherheitsrat unter der Überschrift der Friedenssicherung bereits mehrere neue Einsätze in Bürgerkriegen in Gang gesetzt – im früheren Jugoslawien, in Somalia und in Kambodscha. Verantwortlich für diese Aufgabe war die in jenem Jahr gegründete Hauptabteilung Friedenssicherungseinsätze, welche die Zuständigkeiten des lange Jahre von Brian Urquhart geleiteten Büros für Besondere Politische Angelegenheiten übernommen hatte. Doch der Mitarbeiterstab der neuen Abteilung – an deren Spitze damals der Beigeordnete Generalsekretär Marrack Goulding stand – war kaum vergrößert worden, obwohl eine drastisch gestiegene Zahl von weltweiten Missionen und ein entsprechender Einsatz von Friedenssoldaten zu bewältigen waren und die Komplexität der Einsätze enorm zugenommen hatte.
    In dieser Zeit wurde ich in die Abteilung Friedenssicherungseinsätze im New Yorker UN -Hauptquartier versetzt. Zuletzt hatte ich als Controller in der Hauptabteilung Management gearbeitet, und davor war ich Chef der Personalabteilung und Budgetdirektor gewesen. Nun sollte ich also auf dem neuen Posten des