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Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Titel: Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kofi Annan
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Entwicklung zusehends. Im selben Maß, wie die Anstrengungen, Lebensmittel zu verteilen, und das Volumen der Hilfslieferungen zunahmen, intensivierten sich auch die Störaktionen. Nicht mehr nur Banden, sondern ganze Bevölkerungsteile blockierten jetzt offen die Lebensmittelverteilung. Deshalb erreichte nur ein Bruchteil der riesigen Menge an Hilfsgütern, die in das Land geliefert wurden, die hungernden Menschen.
    In der DPKO bestand unsere größte Sorge deshalb darin, dass die Lebensmittel die Menschen tatsächlich erreichten. Das bedeutete, dass mehr Truppen für die Sicherung der Lebensmittelverteilung abgestellt werden mussten. Die Lage war auf eklatante Weise empörend: Obwohl die Lebensmittellager in den somalischen Häfen voll waren, starben jeden Tag schätzungsweise 3000 Somalis, und 300 000 waren bereits tot. Diese Situation ließ uns alle, wie ich damals sagte, jeden Tag ein Stück kleiner werden. Es war unübersehbar, dass ein nachdrücklicheres und stärker zweckgerichtetes Vorgehen nötig war. Unserer Ansicht nach waren die Fähigkeit und das Mandat zur Gewaltanwendung erforderlich, wenn wir die riesigen Lebensmittelmengen aus den Häfen und von den Flugplätzen zu den Hungernden bringen wollten. Auf eine Anfrage des Sicherheitsrats, wie eine ununterbrochene Verteilung humanitärer Güter erreicht werden könne, empfahl Boutros-Ghali am 29. November 1992 als einzig mögliche Option, gemäß Kapitel VII der UN -Charta den Einsatz von Gewalt zu billigen.
    Daraufhin verabschiedete der Sicherheitsrat am 3. Dezember 1992 einstimmig die Resolution 794, die das Mandat für den Einsatz von Gewalt erteilte – einschließlich, gemäß Kapitel VII der UN -Charta, der Entsendung einer neuen UN -Truppe unter gemeinsamer Führung –, »um so bald wie möglich ein sicheres Umfeld für die humanitären Hilfsmaßnahmen in Somalia zu schaffen«. Dabei wurde stillschweigend vorausgesetzt, dass die Vereinigten Staaten die Führung bei der Aufstellung dieser neuen Militärmacht übernehmen würden. Am nächsten Tag, dem 4. Dezember, billigte der scheidende US -Präsident George H. W. Bush die Operation »Restore Hope«, wobei er erklärte, nur die Vereinigten Staaten hätten »die globale Reichweite, um eine große Sicherheitstruppe rasch und effizient an einem derart fernen Ort einsetzen und dadurch Tausenden von Unschuldigen das Leben retten zu können«. Am 9. Dezember landete die Vorhut einer amerikanischen Truppe von 28 000 Mann, die zu den erfahrensten Soldaten der Welt gehörten, in Somalia; zu ihnen stießen 17 000 Soldaten aus anderen Ländern. Der Sicherheitsrat und die Truppen bereitstellenden Länder erwarteten, dass ihre Maßnahme die Situation in dem Land stabilisieren würde. Dessen waren sie sich so gewiss, dass der Sicherheitsrat betonte, die Operation werde nur von kurzer Dauer sein, um »den Weg für die Wiederaufnahme von friedenschaffenden und friedenssichernden Maßnahmen zu ebnen«.
    Trotz der massiven Intervention kam man einer Situation, die so etwas wie friedenschaffenden Maßnahmen ähnelte, jedoch nicht näher. Sobald die humanitären Hilfsgüter unter dem Schutz der von den USA geführten Einsatztruppe in die wichtigsten Hilfsgebiete in Somalia geliefert worden waren, endete deren Mission. Die Verantwortung für die Lage im Land wurde im März 1993 einer neuen UN -Operation übertragen, UNOSOM II – im selben Monat, in dem ich Marrack Goulding als Chef der DPKO ablöste und in den Rang eines Beigeordneten Generalsekretärs aufstieg.
    Die von den USA geführte Einsatztruppe war sehr erfolgreich darin, die Bevölkerungszentren in einem großen Teil Somalias zu schützen und die Lieferung von Hilfsgütern in vierzig Prozent des Landes zu gewährleisten. Danach gingen die Kämpfe jedoch weiter. Deshalb empfahl Boutros-Ghali dem Sicherheitsrat, UNOSOM II ein Mandat gemäß Kapitel VII der UN -Charta zu erteilen, so dass man bei der Entwaffnung der Kriegsparteien und der Wiederherstellung von Recht und Ordnung wie bei der Operation »Restore Hope« Gewalt anwenden konnte. Das Ergebnis war die Sicherheitsratsresolution 814 vom 26. März 1993, die US -Botschafterin Madeleine Albright als »beispielloses Unterfangen« bezeichnete, »das auf nicht weniger abzielt als die Wiederherstellung eines ganzen Landes als stolzes, funktionierendes und lebensfähiges Mitglied der Staatengemeinschaft«. Das Problem war jedoch, dass man zwar die Ziele der Mission erheblich ausweitete, unterdessen UNOSOM II aber

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