Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)
de facto die Mittel für deren Durchsetzung genommen wurden, da ein großer Teil der amerikanischen Einheiten das Land verließ. Danach war die UN -Truppe nicht nur kleiner und wesentlich schlechter ausgerüstet, sondern litt auch unter einer stark fragmentierten Befehlsstruktur. Bis zum März 1993 waren rund 40 000 internationale Soldaten in Somalia stationiert gewesen, überwiegend Amerikaner. UNOSOM II wurde zwar immer noch von US -Truppen unterstützt, bestand aber vor allem aus türkischen, malaysischen, pakistanischen und anderen Einheiten mit insgesamt nie mehr als 20 000 Soldaten. Wenn die Mission erfolgreich sein sollte, waren rasche Fortschritte bei der Aussöhnung der Bürgerkriegsparteien und der Abschluss eines Friedensabkommens erforderlich. Sofern das nicht geschah, würde UNOSOM II nicht stark genug sein, die Ziele der Mission mit Gewalt durchzusetzen.
Und genau dieser Fall trat ein. Der Bürgerkrieg ging weiter, insbesondere mit Kämpfen im Süden von Mogadischu. Mit ihren begrenzten Mitteln konnte UNOSOM II kaum etwas dagegen tun. Darüber hinaus wurde die UN -Truppe durch die Versuche, die somalischen Kämpfer zu entwaffnen, direkt in den Konflikt hineingezogen. Unter den Bedingungen des fortdauernden Bürgerkrieges musste jede zur Entwaffnung vorgesehene Gruppe gegenüber ihren Gegnern automatisch ins Hintertreffen geraten. Kein somalischer Warlord würde eine Entwaffnung widerstandslos hinnehmen. Nach einer ganzen Reihe von Angriffen auf UNOSOM-II -Truppen wurden am 5. Juni 1993 25 pakistanische Friedenssoldaten getötet und über fünfzig verwundet. Die Schuld daran gab man General Aidid; die Reaktion des Sicherheitsrats bestand deshalb – insbesondere auf Drängen der Vereinigten Staaten – darin, sich auf die Festnahme Aidids zu konzentrieren, den man jetzt als größte Bedrohung für die Mission betrachtete.
Das lenkte von wichtigen strategischen Fragen ab. Nach meiner Ansicht wäre es besser gewesen, die Truppe insgesamt zu stärken, anstatt ihre begrenzten Ressourcen für die Jagd auf einen einzelnen Mann in Mogadischu zu verwenden. Auch Sahnoun hatte sich dafür ausgesprochen, das Augenmerk nicht auf die Warlords zu legen – deren Macht dadurch nur vergrößert wurde –, sondern sich auf lokale Führer außerhalb Mogadischus zu stützen. Wenn man den Aufbau somalischer Strukturen und die Versöhnung fördern wollte, waren, laut Sahnoun, Führer mit wirklicher Legitimation in ihren Gemeinden wesentlich wichtiger als Männer, die lediglich über die meisten Gewehre in Mogadischu verfügten. Doch die Fixierung auf Aidid ließ der Beschäftigung mit Alternativen keinen Raum.
UNOSOM II wurde von Boutros-Ghali zum großen Teil auf seine übliche geheimnistuerische Weise geführt. Durch persönliche Verhandlungen mit den Ländern, die Truppen bereitstellten, schloss er die meisten UN -Mitarbeiter, einschließlich der DPKO , von vielen Entscheidungen aus. Als wichtigster Aspekt, den Boutros-Ghali sich selbst vorbehielt, galt die Aufstellung einer amerikanischen Spezialeinheit für die Jagd auf Aidid. Die aus Soldaten der Spezialeinheiten von Armee, Luftwaffe und Marine der USA zusammengesetzte Truppe, deren Kommandokette vollständig von der UN -Mission getrennt war, traf Ende August 1993 in Somalia ein. In der DPKO erfuhren wir aber erst von ihrer Existenz, als sich am 3. Oktober die Nachricht von einem katastrophal gescheiterten Versuch, den somalischen Warlord gefangen zu nehmen, verbreitete. Boutros-Ghalis harte Haltung in Bezug auf das Vorgehen in Somalia war mit der neuen amerikanischen Fixierung auf die Gefangennahme Aidids zusammengekommen. Zwei Hubschrauber waren abgeschossen, 18 US -Soldaten getötet und viele weitere verwundet worden. Diese Soldaten saßen in verschiedenen Teilen der Stadt in der Falle und wurden erst von UN -Friedenstruppen, die wie wir keine Ahnung von der bevorstehenden Operation gehabt hatten, aus den Klauen eines Mobs bewaffneter Somalis befreit. Furchtbare Bilder von toten US -Soldaten, die nackt durch die Straßen von Mogadischu geschleift wurden, gingen um die Welt.
Für eine humanitäre Mission war dies ein verheerendes Ereignis. Die amerikanische Öffentlichkeit war schockiert. Dass amerikanische und andere UN -Soldaten im Rahmen von UNOSOM II seit mehreren Monaten in Mogadischu in nicht unbedeutende Kämpfe verwickelt gewesen waren, spielte keine Rolle; man hatte es als »Friedenssicherung« verstanden und war daher auf Todesopfer nicht vorbereitet.
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