Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)
größten Fehlschläge. Der erste Fehlschlag war 1993 das Scheitern der friedenssichernden Mission in Somalia, der zweite 1994 der Absturz Ruandas in den Völkermord unter den Augen von UN -Friedenstruppen. Der dritte schließlich war 1995 das Massaker an achttausend bosnischen Männern und Jungen in Srebrenica – ausgerechnet in einem von UN -Truppen abgesteckten »sicheren Gebiet«.
Die Ursachen der Katastrophen bei der Friedenssicherung in den frühen neunziger Jahren, die aus dem Missbrauch dieses wichtigen Instruments resultierten, reichen zu ihren Ursprüngen zurück. Friedenssicherung entstand bald nach der Gründung der UNO als ein Bündel praktischer Reaktionen auf die globale Sicherheitslage. Nach dem raschen Rückzug der Kolonialmächte aus ihren Weltreichen nach Ende des Zweiten Weltkriegs brachen Kämpfe zwischen neugebildeten unabhängigen Staaten aus, wie etwa zwischen Israel und seinen Nachbarn oder Indien und Pakistan, und mit dem Beginn des Kalten Krieges erhielten diese Konflikte eine neue internationale Dimension. Die Feindschaft zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion bedeutete, dass lokale Kriege potentiell die rivalisierenden Interessen der Supermächte berührten – eine Dynamik, welche die Eskalation zu einer globalen Konfrontation heraufbeschwor.
Explizit wegen dieser Sorge sowie aufgrund des durch die Erfindung der Atomwaffen verstärkten Gefühls globaler Unsicherheit institutionalisierte der zweite UN -Generalsekretär, Dag Hammarskjöld, eine Praxis, die »Friedenssicherung« genannt wurde. Er erkannte, dass es notwendig war, die von lokalen Konflikten ausgehende Gefahr einzudämmen und die Lage schnellstmöglich zu stabilisieren, um das Risiko der Eskalation zu einer globalen Krise oder, schlimmer noch, zu einem Atomkrieg auszuschließen. Internationale neutrale Truppen sollten nach Einstellung der Feindseligkeiten die Waffenstillstandslinien zwischen den Kriegsteilnehmern überwachen, das Vertrauen über die Trennlinie hinweg fördern und auf diese Weise die Spannungen zwischen den verfeindeten Parteien auflösen. Es war, wie Hammarskjöld es ausdrückte, eine Form »präventiver Diplomatie«, um »neu entstehende Konflikte außerhalb der Sphäre der Blockdifferenzen« zu halten.
Das Konzept der Friedenssicherung, dessen Grundprinzipien und Regeln Hammarskjöld schließlich Ende der fünfziger Jahre festlegte, baute auf den Erfahrungen der ersten UN -Feldeinsätze in den späten vierziger Jahren auf, bei denen Beobachter die Waffenruhe in Palästina und den Waffenstillstand zwischen Pakistan und Indien in Kaschmir überwacht hatten. Der Einsatz internationaler Truppen als Puffer zwischen Kriegsgegnern und zur Überwachung von Waffenstillstandslinien wurde als bedeutender Beitrag der Vereinten Nationen zu Frieden und Sicherheit in der Welt anerkannt. Es war innerhalb der engen politischen Grenzen der UNO im Kalten Krieg eine bemerkenswerte, dem Weltfrieden und der internationalen Ordnung dienende Innovation. In Anlehnung an Hammarskjöld wurden die Prinzipien der Friedenssicherung 1973 formal kodifiziert:
Friedenssichernde Truppen können nur mit Zustimmung der Konfliktparteien stationiert werden.
Die Stationierung und das Handeln von Friedenssoldaten müssen absolut unparteiisch zu sein.
Gewaltanwendung ist Friedenssoldaten nur zur Selbstverteidigung gestattet.
Friedenstruppen benötigen ein Mandat des Sicherheitsrats und sollten von diesem unterstützt werden.
Friedenssichernde Einsätze müssen sich, was Personal, Ausrüstung und Logistik anbelangt, auf den freiwilligen Beitrag von Mitgliedsstaaten stützen.
Zudem bildete sich die Gewohnheit heraus, dass die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats keine Truppen zu solchen Missionen entsandten, da dies anstatt zu einer Reduzierung zu einer Eskalation der Rivalitäten im Kalten Krieg hätte beitragen können. Doch dann hielt der Generalsekretär der KPdSU und Vorsitzende des Obersten Sowjets der UdSSR , Michail Gorbatschow, am 7. Dezember 1988 in der Generalversammlung der UNO eine Rede, in der er eine drastische Verkleinerung des sowjetischen Militärs ankündigte, insbesondere der sowjetischen Präsenz in Osteuropa. Damit läutete er das Ende des Kalten Krieges ein, was tiefgreifende Auswirkungen auf die globale Rolle der Vereinten Nationen hatte. Der Sicherheitsrat, der nach dem Willen der Gründer der UNO der oberste Wächter über Frieden und Sicherheit in der Welt sein sollte, war vierzig Jahre lang
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