Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)
stellvertretenden Abteilungsleiters Marrack Goulding unterstützen.
Die Möglichkeit, Feldeinsätze ohne volle Zustimmung der Kriegsparteien durchzuführen, bedeutete, dass man bereit sein musste, wenn nötig Gewalt anzuwenden. Aus dieser einfachen Tatsache folgte, dass die Friedenstruppen völlig andere Fähigkeiten als bisher besitzen mussten, wenn sie bewaffneten Kräften gegenübertraten, die die Ziele des UN -Mandats ablehnten. Das wiederum hieß, dass die Länder, die Truppen stellten, wesentlich höhere Risiken eingingen und ein größeres politisches Engagement an der Seite des Sicherheitsrats sowie mehr Aufmerksamkeit und Flexibilität an den Tag legen mussten. Doch dies begriff kaum jemand, so dass sich zwischen Zweck und Mitteln eine immer größer werdende fatale Kluft auftat.
1992 versäumte es der Sicherheitsrat, einen neuen Katalog eindeutiger Leitprinzipien und Strukturen für friedenssichernde Einsätze aufzustellen beziehungsweise die bestehenden sorgfältig zu überdenken. Stattdessen wurden sämtliche Strukturen und Doktrinen der UN -Friedenssicherung aus der Zeit des Kalten Krieges in die neue Ära übernommen.
Das bedeutete, dass die alte, schwergängige Maschinerie der Friedenssicherung aus der Zeit des Kalten Krieges auf Situationen angewandt wurde, für die sie nicht geschaffen worden war. Die Friedenssicherung war aus den begrenzten Möglichkeiten, die innerhalb der engen Grenzen des damaligen UN -Systems vorhanden waren, zusammengeschustert worden. Die Vorstellung, dass die UNO eigene, unter dem alleinigen Befehl ihres Sekretariats stehende Truppen haben sollte, wurde von den Mitgliedsstaaten der UNO nie gebilligt. Infolgedessen fand die Friedenssicherung im Rahmen einer Dreiparteienstruktur statt, in welcher die Beziehungen und das Kommando über die Einsätze bestenfalls unklar waren. Als Erstes war der Sicherheitsrat beteiligt, der die Befugnis besaß, UN -Feldeinsätze in Kraft zu setzen, und als Teil seiner Supervisionsaufgabe dafür verantwortlich war, deren Mandat, Ziele und Parameter festzulegen. Zweitens hatte das UN -Sekretariat, der Verwaltungsapparat der UNO , die Aufgabe, das alltägliche Management der Einsätze zu überwachen. Dafür war neben dem Büro des Generalsekretärs insbesondere die Hauptabteilung Friedenssicherungseinsätze verantwortlich. Drittens schließlich behielten die Truppen bereitstellenden Länder die Autorität über die von ihnen entsandten Einheiten und besaßen in der Praxis das letzte Kommando über sie.
Deshalb stützte sich die Friedenssicherung auf ein oftmals uneiniges zwischenstaatliches Gremium in Gestalt des Sicherheitsrats als politischem Herrn, während für Logistik und Verwaltung eine UN -Abteilung mit unklarer Machtbefugnis verantwortlich war. Noch schlimmer war, dass die Einsätze vollkommen von einer Vielzahl von Truppen bereitstellenden Ländern abhingen, deren Einheiten die entscheidenden Befehle ausschließlich von ihren eigenen Regierungen entgegennahmen. Die Kommandokette war verwirrend, die Verantwortung für Entscheidungen aufgespalten, und zwischen den genannten drei Parteien bestand häufig keine Einigkeit.
Bei der traditionellen Friedenssicherung während des Kalten Krieges hatte dies oftmals zu einer langsamen und chaotischen Entsendung der Truppen, zu Problemen bei ihrer Leitung und zu großen Schwierigkeiten bei ihrer Ausrüstung und Versorgung geführt. Aber die meisten dieser Probleme waren bei Feldeinsätzen in relativ stabilen Verhältnissen aufgetreten, bei denen es darum ging, klar definierte Grenzen zwischen kriegführenden Ländern zu überwachen, wie ich selbst es 1973 in Ägypten getan hatte. Die dem System der Friedensmissionen innewohnenden Schwächen traten bei solchen Einsätzen nie auf derart schwerwiegende Weise zutage, dass sie einen Reformimpuls ausgelöst hätten. Ungeachtet aller Mängel reichte das System völlig aus, um Friedenstruppen zu stationieren.
Das neue Interesse an Bürgerkriegen änderte die Sache grundlegend. Aufgrund der größeren Komplexität und der Zahl der beteiligten Gruppen und Untergruppen, besonders aber aufgrund der unklaren Grenzen zwischen den Kriegführenden, die für gewöhnlich aus irregulären Einheiten bestehen, sind solche Kriege weit flexibler und instabiler als Kriege zwischen Staaten und neigen weit mehr als diese zu raschen Veränderungen. Unter dem neuen Ziel friedenssichernder Missionen in Bürgerkriegsgebieten weltweit wurden die Schwächen, Widersprüche und
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