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Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Titel: Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kofi Annan
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Arusha-Verhandlungen darauf gedrängt, zur Überwachung der Friedensvereinbarung eine UN -Truppe in Ruanda zu stationieren.
    Abgesehen von Frankreich hatte anfangs keines der ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats wirklich Interesse an einem neuen friedenssichernden Einsatz in einem derart fernen und für viele obskuren Land wie Ruanda, zumal sie mit anderen komplizierten und höchst problematischen großen Missionen, etwa in Somalia und Bosnien, beschäftigt waren. Aber Frankreich ging einen Handel ein, nach dem es im Gegenzug für seine Zustimmung zu Missionen in Haiti und Georgien, die von den USA und Russland gewollt wurden, Unterstützung für einen Einsatz in Ruanda erhielt. Das Ergebnis war die am 5. Oktober 1993 verabschiedete Resolution 872, durch die die Hilfsmission der Vereinten Nationen für Ruanda ( UN AMIR ) beschlossen wurde.
    Von größter Bedeutung für das Verständnis der Resolution ist der Kontext der damals vorherrschenden Ablehnung jeglicher robuster, das heißt militärisch unterstützter, friedenssichernder Einsätze, vor allem und besonders nachdrücklich von Seiten der Vereinigten Staaten. Die Abstimmung über UNAMIR fand nur wenige Tage nach dem Debakel in Mogadischu statt, nach dem die USA und andere Staaten friedenssichernde Einsätze, bei denen es möglicherweise zur Gewaltanwendung und entsprechenden Komplikationen und Verlusten kommen konnte, hartnäckig ablehnten. Darüber hinaus stand in der amerikanischen Innenpolitik die Verringerung der Kosten aller friedenssichernden Missionen auf der Tagesordnung. Nach Ansicht vieler Kongressabgeordneter waren sie überhöht und verschlangen zu viele amerikanische Steuergelder.
    Deshalb traten die Vereinigten Staaten anfangs für eine winzige Friedenstruppe von nur hundert Beobachtern in Ruanda ein, was wesentlich preiswerter war als die Abstellung von 8000 Soldaten. Diese Anzahl hatte eine im August entsandte UN -Erkundungsmission als optimale Größenordnung empfohlen. Als Minimum, mit dem das Arusha-Abkommen durchzusetzen sei, hatte sie 5000 Mann genannt. Am Ende wurde ein Mandat für eine Truppe von 2500 Mann erteilt. Das Ergebnis des Sturmangriffs in Mogadischu hatte in den Vereinigten Staaten einen wütenden Aufschrei gegen die UNO ausgelöst. Die Regierung Clinton gab ihr die Schuld an dem Debakel, wobei sie fälschlicherweise behauptete, das UN -Sekretariat hätte das Kommando über die US -Truppen gehabt und sei daher für den Fehlschlag vom 3. Oktober 1993 verantwortlich. Angesichts der Tatsache, dass wir gar nicht wussten, dass ein solcher Angriff mit dem Ziel, Aidid gefangen zu nehmen, geplant war, und noch nicht einmal über die Anwesenheit amerikanischer Spezialeinheiten in dem Land informiert waren, war dieser Vorwurf für uns in der DPKO schwer zu schlucken. Infolgedessen herrschte zum Zeitpunkt des UNAMIR -Beschlusses und in den Wochen danach das Gefühl vor, dass die künftige UN -Friedenssicherung am seidenen Faden hing.
    Dieses Gefühl war nicht zuletzt darin begründet, dass der US -Kongress im Etat für 1994 einen vorgeschlagenen Notfallfonds für die Friedenssicherung, der in entsprechenden Fällen die rasche Aufstellung von Friedenstruppen ermöglichen sollte, gestrichen hatte. Anscheinend wollten sich die Vereinigten Staaten ganz aus der Friedenssicherung zurückziehen. Da sie der UNO zudem rund 900 Millionen US -Dollar an Beiträgen zum regulären Haushalt und zu ihren Ausgaben für die Friedenssicherung schuldeten – deren Zahlung der US -Kongress nicht billigen wollte, obwohl die USA als UN -Mitgliedsstaat zur Zahlung verpflichtet waren –, gewann man den Eindruck, als stünden die UN -Friedenssicherung und deren segensreicher Nutzen für Frieden und Sicherheit in der Welt insgesamt auf dem Spiel. Manche befürchteten sogar, dass sie völlig eingestellt werden könnte.
    Nach unserer damaligen Analyse schien UNAMIR keines der Risiken zu bergen, die in Somalia und bei den anhaltenden Problemen in Bosnien aufgetreten waren. Ein dreijähriger Bürgerkrieg war zu Ende gegangen, und die Parteien hatten sich auf ein Friedensabkommen geeinigt. Im Gegensatz zu umstrittenen Einsätzen in jüngster Zeit wurde die Friedenstruppe nicht in ein Gebiet entsandt, in dem es gar keinen Frieden zu sichern gab. Der Einsatz war Teil des Arusha-Abkommens, die Truppe würde also mit der vollen Zustimmung der Konfliktparteien im Land stehen. Darüber hinaus war es eine Mission gemäß Kapitel VI der UN -Charta, ohne jede Ermächtigung

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