Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)
die Frage, ob es eine autonome Einheit innerhalb Indonesiens oder völlig unabhängig werden sollte – zulassen. Für die UNO bot sich die Möglichkeit, eine wichtige Rolle zu spielen, da keine der Großmächte ein strategisches Interesse an dem Konflikt hatte – anders als, zum Beispiel, beim Friedensprozess im Nahen Osten, bei dem unser Einfluss aufgrund der amerikanischen Dominanz in dieser Frage stets beschränkt war. In Bezug auf Osttimor konnten wir nun einen Verhandlungsprozess unter Beteiligung sowohl Indonesiens als auch Portugals in Gang setzen, um den Weg zu einer »Volksbefragung«, wie wir sie nannten, zu ebnen. Diese »Befragung« über die Zukunft Osttimors sollte irgendwann im Jahr 1999 stattfinden.
Der indonesische Außenminister Ali Alatas erwies sich als ebenso harter wie fähiger Unterhändler. Jaime Gama vertrat mit ähnlichem Geschick die historischen Interessen Portugals. Zum Verhandlungsführer auf unserer Seite ernannte ich Jamsheed Marker. Während der nur langsam vorankommenden Vorbereitungen des Referendums intervenierte ich von Zeit zu Zeit persönlich, indem ich Alatas in mein Büro bestellte und ihn drängte, auf dem Pfad des Kompromisses zu bleiben und sich nicht vom Endziel eines sicheren Friedens, der das internationale Ansehen Indonesiens stärken werde, ablenken zu lassen. Wiederholt versicherte ich ihm, dass wir als ehrliche Makler handelten, keine eigenen Interessen verträten und die Referendumsfrage fair formulieren würden. So konnten wir genügend Vertrauen schaffen, dass beide Seiten glaubten, sie könnten als Sieger aus der Volksabstimmung hervorgehen.
Während Marker mit viel Geschick und Geduld die Verhandlungen führte, entwickelte sich zwischen Habibie und mir eine ungewöhnliche Beziehung. Mit der Zeit begann er mir zu vertrauen und zu begreifen, dass ich nicht darauf aus war, Indonesien zu schwächen. Er begriff, dass ich nicht nur ein den Wünschen der Osttimorer entsprechendes friedliches Resultat anstrebte, sondern auch nach einem Weg suchte, wie Indonesien am Ende eine stärkere Stellung innerhalb der Weltgemeinschaft einnehmen konnte. Tag für Tag – und oft Stunde für Stunde – gelang es mir, ihn bei der Stange zu halten, trotz immensen Drucks aus den Reihen seines eigenen Militär- und Sicherheitsapparats, der darauf drängte, eine wesentlich härtere Linie zu verfolgen. Ende August 1999 sprach ich täglich mit ihm, und mehr als einmal konnte ich ihm – mit zunehmender Resonanz von seiner Seite – sagen, dass das, was er von seinen Assistenten und Beratern hörte, nicht die Wirklichkeit in Osttimor wiedergab.
Nachdem man sich endlich auf die Durchführung der Volksabstimmung geeinigt hatte, blieben uns für die Organisation nur wenige Monate. In der entscheidenden Frage der Sicherheit waren die Indonesier unerbittlich: Sie würden die Verantwortung für die Sicherheit allein tragen und keine anderen Truppen, gleich welcher Art, auf indonesischem Boden operieren lassen. Ich drängte Habibie, eine bewaffnete Truppe zum Schutz der Zivilbevölkerung und UN -Aktivitäten zuzulassen, doch das indonesische Militär legte sein Veto ein und beharrte auf seinen eigenen Vorrechten – eine schicksalhafte Entscheidung mit schwerwiegenden Folgen sowohl für das indonesische Militär als auch für das Volk von Osttimor.
Unsere Besorgnis war darin begründet, dass von der indonesischen Armee unterstützte timoresische Milizen inzwischen klargemacht hatten, dass sie die lokale Bevölkerung einschüchtern und bedrohen würden. Während der gesamten Entwicklung gab es, wie ich meinen Mitarbeitern und anderen immer wieder ins Gedächtnis rief, eine grundlegende Realität, die den Kontext der Diplomatie prägte: Das indonesische Militär konnte in der Region tun und lassen, was es wollte, denn keine ausländische Macht dachte auch nur daran, Indonesien mit militärischen Mitteln das Recht abzusprechen, in dem, was es als sein Staatsgebiet ansah, (nach Gutdünken die Kontrolle auszuüben. Die Tatsache, dass es zudem das Land mit der größten moslemischen Bevölkerung der Welt und ein enger Verbündeter der Vereinigten Staaten war, der noch dazu eine immer enger werdende Beziehung zu China pflegte, machte die diplomatischen Bemühungen nicht einfacher. Die indonesische Regierung ließ uns keine andere Wahl, als ihren Anspruch auf das Sicherheitsmonopol zu akzeptieren.
Gleichwohl gab mir das Abkommen vom 5. Mai das Recht, die Vorbereitungen der Abstimmung auszusetzen,
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