Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)
inspizieren gab. Die Regierung hütete offenbar ein schreckliches Geheimnis. Von den Flüchtlingen, mit denen wir dann doch zusammentrafen, hörten wir endlose Geschichten, die zu den zahllosen anderen Geschichten passten, die wir bereits kannten – Geschichten von furchtbarem Leid überall in der Provinz, verursacht von gnadenlosen, brutalen marodierenden Banden.
Am 2. Juli führten wir Gespräche mit al-Baschir und Mitgliedern seiner Regierung. Wie ich öfter bei Treffen mit Machthabern, die für die schrecklichsten Gräueltaten verantwortlich waren, feststellen konnte, erwies sich auch al-Baschir als bemerkenswert kultiviert. Man stellt sich immer vor, großen Übeltätern müssten ihre Verbrechen anzusehen sein, aber wie einst in Bagdad – wo ich 1998 Saddam Hussein kennengelernt hatte, als ich ein Abkommen über die Beendigung des Krieges zu vermitteln versuchte – empfing mich auch in Khartum ein kühler, höflicher und freundlicher Mann. Es scheint paradox zu sein, aber ein solches Auftreten findet man bei Verantwortlichen für massives Blutvergießen häufig.
Al-Baschir war seit 1989 an der Macht, ein Grad politischer Langlebigkeit, der auf Geschick und Rücksichtslosigkeit schließen ließ. Am Beginn unseres Gesprächs im Präsidentenpalast in Khartum bedankte er sich für meinen Besuch und drückte den Wunsch aus, meine Ansichten kennenzulernen. Ich antwortete in ähnlicher Weise, indem ich ihm für den freundlichen Empfang dankte, und kam dann rasch auf Darfur zu sprechen. »Die Weltgemeinschaft«, sagte ich, »will einen umfassenden Frieden im Sudan. Ich habe diese Frage viele Male mit US -Außenminister Colin Powell und Ministern anderer Mitgliedsstaaten des Sicherheitsrats besprochen. Sie alle möchten, dass der Sudan rasche und wirkungsvolle Maßnahmen ergreift.«
Al-Baschir schien weder beeindruckt noch besorgt zu sein und wies meine ausführlichen Bemerkungen über die Notlage der Darfurer Zivilbevölkerung und die gegen sie gerichtete Gewalt wiederholt zurück, einschließlich der von mir angeführten konkreten Beispiele aus den vorangegangenen zwei Tagen. In seinen Erwiderungen betonte er, was ihm besonders wichtig zu sein schien, dass der Konflikt von den Rebellen ausgelöst worden sei – ein typisches Argument von Regierungen, die für Gräueltaten verantwortlich sind – und dass dies das Sicherheitsvakuum erzeugt habe, das zu beheben man sich jetzt bemühe.
»Die Welt«, entgegnete ich, »ist fest davon überzeugt, dass die Regierung des Sudan die Kontrolle über die Janjaweed besitzt und ihnen Luftunterstützung gewährt. Es müssen sofort besondere Maßnahmen ergriffen werden, um gefährdete Menschen zu schützen.«
Al-Baschir wischte diese Forderung mit einer Bemerkung vom Tisch, die offenbarte, welche Verachtung er der Mehrheit der Bevölkerung von Darfur entgegenbrachte und wie wenig ihn individuelles Leid bekümmerte: »Wir haben die Janjaweed bei Angriffen auf Dörfer bombardiert. Wenn die Dorfbewohner ehrlicher wären, würden sie zugeben, dass unsere Flugzeuge auch die Janjaweed bombardiert haben.«
Ich bin von Journalisten gefragt worden, warum ich al-Baschir bei dieser Begegnung nicht mit einer Militärintervention gedroht habe. Meine Antwort lautete: Das wäre das Schlimmste gewesen, was ich hätte tun können. Wenn ich ihm mit einer bevorstehenden Militärintervention gedroht hätte, wohl wissend, dass der Sicherheitsrat weit davon entfernt war, irgendein Vorgehen zu billigen, hätte es die Glaubwürdigkeit der Vereinten Nationen noch weiter untergraben. Die unvermeidliche Folgenlosigkeit meiner Worte hätte die sudanesische Regierung noch kühner gemacht. Darüber hinaus war die Einigkeit der Mitglieder des Sicherheitsrats die Schlüsselvoraussetzung für sein Handeln. Ein Generalsekretär, der im Namen des Rats in einer Frage, in der dessen Mitglieder gespaltener Meinung waren, Drohungen ausstieß, hätte diese Spaltung weiter vertieft. In der Folge wären die Sudaner nur noch stärker davon überzeugt gewesen, dass ihnen vorläufig keine Militärintervention drohte.
Wie in meinen Gesprächen mit al-Baschir und anderen sudanesischen Politikern deutlich wurde, glaubten sie nicht, dass ihnen von Seiten des Sicherheitsrats oder eines seiner Mitglieder eine Gefahr drohte. Angesichts der Größe Darfurs, seiner schwierigen geographischen Verhältnisse, der Art des Konflikts und der Tatsache, dass die Gewalt von Aufständischen und Sektierern im Irak zunahm und die dort
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