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Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Titel: Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kofi Annan
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mehrmals, dass der Lieferung humanitärer Hilfsgüter in die Provinz angesichts der »ruhigen« Lage nichts entgegenstehe. »Dann können sich meine Leute also an Sie wenden, wenn sie Schwierigkeiten bei der Bereitstellung humanitärer Hilfe oder mit Lieferungen haben?«, hakte ich nach. Angesichts seiner Haltung vermutete ich, dass schon ein schwaches persönliches Verlangen, seine Glaubwürdigkeit zu bewahren, und sei es auch nur im freundlichen Verhältnis zu mir, genügen würde, um ihn dazu zu bewegen, meine Frage zu bejahen. Es wäre ein Versprechen, das ich ihm später vorhalten könnte. » OK «, bestätigte er meine Vermutung, untypisch knapp.
    Dass ich al-Baschir mit Hilfe seiner eigenen Worte in diese Ecke manövriert hatte, verschaffte uns einen kleinen Vorteil. Denn tatsächlich konnten wir in den folgenden Wochen in bestimmte Gebiete von Darfur mehr Hilfsgüter bringen. Angesichts des Ausmaßes der Katastrophe war dies freilich kaum als positives Ergebnis zu werten. Aber wenigstens konnten wir einigen Menschen in Darfur helfen, die andernfalls gelitten hätten oder sogar gestorben wären.
    Das Telefonat mit al-Baschir und nachfolgende weitere Gespräche über Darfur fanden in einem gefährlichen Vakuum statt, denn in Bezug auf Darfur fehlte auf Seiten mächtiger Staaten, insbesondere im Sicherheitsrat, jeglicher politische Druck und politische Wille. Im weiteren Verlauf des Konflikts in den nächsten Monaten und Jahren starben durch die von der sudanesischen Regierung in Darfur verfolgte Strategie Schätzungen zufolge mehr als eine halbe Million Menschen. Darüber hinaus wurden Millionen vertrieben und ihrer Lebensgrundlage beraubt. Die sudanesische Regierung war nicht willens oder in der Lage, die Bevölkerung vor massenhaften Menschenrechtsverletzungen zu schützen, und sie sollte dies in den kommenden Wochen, Monaten und Jahren der Krise ein ums andere Mal beweisen.
    Die Lösung war klar, wenn auch schwierig umzusetzen. Externe Akteure standen in der Verantwortung, die Zivilisten in Darfur zu schützen, das heißt, sie mussten mit oder ohne Erlaubnis der sudanesischen Regierung ins Land gehen und die Übergriffe beenden. Ende 2003 mehrten sich die Stimmen, die ein Eingreifen verlangten, unter ihnen auch unsere eigene innerhalb der UNO . Die Weltgemeinschaft musste etwas tun. Nach Ruanda hatte die Welt gesagt: »Nie wieder!« Doch der Sicherheitsrat weigerte sich, die Führungskraft und Entschlossenheit an den Tag zu legen, die nötig waren, um frontal gegen die Krise in Darfur vorzugehen. Anfangs schien dieses Zögern von der wohlmeinenden Sorge um den Fortgang des Friedensprozesses zwischen Nord- und Südsudan begründet zu sein, von dem wir alle hofften, er könnte Ende 2003 oder Anfang 2004 abgeschlossen werden. Bislang hatte sich der seit über zwanzig Jahren andauernde Bürgerkrieg zwischen Nord- und Südsudan, der Millionen von Menschenleben gekostet hatte, einer friedlichen Lösung entzogen. Die Beendigung des Konflikts wäre also ein enormer Gewinn für den Frieden, den die Unterhändler – eine amerikanisch-britisch-norwegische Troika – mit Recht einstreichen wollten. Als sich im Dezember 2003 und Januar 2004 die Nachrichten über Gewalttätigkeiten gegen Zivilisten in Darfur zu häufen begannen, waren sich alle beteiligten diplomatischen Parteien darin einig, dass ein hartes Vorgehen in der Darfur-Krise den gesamten Nord-Süd-Friedensprozess und damit seinen Nutzen für Millionen von Sudanern gefährden konnte.
    Mit Rücksicht auf das, was in dem Konflikt im Südsudan auf dem Spiel stand, und das greifbar nahe Friedensabkommen, schloss ich mich im Dezember 2003 und Anfang Januar 2004 dieser Auffassung an und instruierte meine Mitarbeiter dementsprechend. Um den Nord-Süd-Friedensprozess nicht zu stören, würden wir die immer dringlicher werdende Darfur-Frage vorerst auf Sparflamme behandeln und nur am Rand von Unterredungen über andere Themen ansprechen, anstatt sie in den Mittelpunkt von Verhandlungen mit der Regierung zu stellen. Es war furchtbar, diese Wahl treffen zu müssen. Wir konnten entweder die Vorgänge in Darfur verurteilen und damit möglicherweise den heiklen Friedensprozess im Süden zerstören, ohne allzu viel für den Westen zu erreichen, oder mit dem Abschluss des Friedensprozesses fortfahren und gleichzeitig unser Möglichstes tun, um die Regierung dazu zu bewegen, die Krise in Darfur einzudämmen und zu beenden. Im besten Fall, so hofften wir, würde es uns

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