Ein Leben unter Toten
Stelle, wo die beiden Teile aufeinanderlagen, und verharrte in der Bewegung.
Sehr vorsichtig begann ich damit, die Spitze des Messers zu bewegen. Zum Glück war der Spalt breit genug um die Dolchspitze hineindrücken zu können, und es gelang mir auch, sie ein wenig zu bewegen. Ich konnte sie nach rechts drehen, nach links und versuchte nun, die Klinge in ihrer Länge hineinzupressen.
Das schaffte ich.
Die Hoffnung wurde größer.
Ich konnte auch nicht mehr darauf achten, nur noch flach zu atmen, denn die Befreiungsarbeit strengte mich körperlich sehr an, und meine Schweißdrüsen produzierten auf Hochtouren.
Ich hebelte und drückte. Irgendeine Schwachstelle mußte doch zu finden sein. Ohne Erfolg.
Der Deckel saß zu fest. Von innen bekam ich ihn nicht auf. Ich konnte nur versuchen, noch weitere Löcher zu bohren, aber mit der Klinge selbst bekam ich die beiden Teile nicht auseinander. Erschöpft ruhte ich mich ein wenig aus. Diesmal atmete ich heftig und bog meinen Oberkörper dabei in die Höhe. Die letzte Aktion hatte mich verdammt mitgenommen.
Nachdem ich meinen Atem wieder einigermaßen unter.
Kontrolle bekommen hatte, kehrte ein anderes Gefühl zurück. Es war die Angst.
Dagegen konnte ich auch nichts machen. Sie war einfach da, und sie wurde aus dem Wissen geboren, hier mutterseelenallein im Sarg zu liegen und auf fremde Hilfe angewiesen zu sein.
Aber wer sollte mir helfen?
Da kam höchstens Sarah Goldwyn in Betracht. Sie allerdings konnte ich vergessen, denn die Horror-Oma wußte schließlich nicht, in welch einer Lage ich mich befand. Sie steckte sicherlich irgendwo im Haus oder schon draußen, wo das Grillfest meiner Ansicht nach bereits begonnen hatte.
Es half nichts. Ich war völlig auf mich allein gestellt. In einer schon verzweifelt zu nennenden Aktion preßte ich die Knie gegen den Sargdeckel und drückte.
Nein, da war nichts zu machen. Den konnte ich auf keinen Fall sprengen. Der hielt eisern.
Was war zu tun?
Ein paarmal atmete ich tief durch, da ich meinen Körper unbedingt unter Kontrolle bringen wollte. Es hatte keinen Sinn, hier in eine große Panik zu verfallen, ich mußte mich eisern zusammenreißen, sonst drehte ich noch durch.
Es war wie damals, nur hörte ich diesmal nicht die dumpfen Schläge, die entstanden, wenn Erde auf den Sargdeckel fiel.
Wie sollte das noch alles enden?
Mit meinem Tod. Elendig ersticken, umkommen in einer Totenkiste? Ein standesgemäßer Tod für den Geisterjäger, aber ich wollte nicht sterben, sondern weiterleben.
Fast hätte ich geschrien. Im letzten Augenblick jedoch konnte ich mich noch beherrschen und hielt meinen Mund.
Dann vernahm ich Schritte.
Ich hatte eine Atempause eingelegt, es war still geworden, deshalb drangen sie an meine Ohren.
Zuerst wollte ich es kaum glauben, bis ich genauer lauschte und die Schritte lauter wurden.
Kein Zweifel, da bewegte sich jemand durch den Kellerraum, und er kam auf meinen Sarg zu.
Wollte er mich holen?
Das konnte ich nicht glauben, denn ich fragte mich sofort nach dem Sinn einer solchen Handlung. Weshalb sollte man mich erst in den Sarg stecken und mich dann wieder herausholen. Vielleicht sollte ich vor Angst wahnsinnig werden.
Meine Gedanken brachen ab, denn ich konzentrierte mich nur auf die Geräusche, die mittlerweile lauter geworden waren, letzt mußte sich die Person dicht neben der Totenkiste befinden. Wieder ein Schritt. Plötzlich wußte ich, wer da gekommen war. Es mußte einer der Helfer gewesen sein, denn die Frau hat nicht so schwer auf. Jetzt war ich gespannt, wie er reagieren würde!
Da ich keine weiteren Schritte mehr vernahm, ging ich davon aus, daß der andere neben dem Sarg stehengeblieben war und erst einmal abwartete. Sekunden vertickten. Für mich waren sie mit einer atemlosen Spannung gefüllt. Jetzt mußte sich zeigen, wie der andere reagierte. Er begann zu sprechen.
Mit allem hatte ich gerechnet, damit allerdings nicht. Allzu laut redete er nicht, trotzdem konnte ich Bruchstücke von dem verstehen, was er zu sagen hatte.
»Ich werde dich holen«, erklärte er. »Ich hole dich, und dann kannst du deine Opfer kriegen!«
Sehr genau lauschte ich. Mein Gehör war hundertprozentig in Ordnung. Dennoch begriff ich seine Worte nicht. Wen meinte er damit? Mich bestimmt nicht. Nein, das war kaum anzunehmen.
Auf meinen Handflächen hatte sich der Schweiß gesammelt. Den Atem hatte ich angehalten, kein Geräusch sollte mich ablenken, und ich wartete auf seine nächsten Worte.
Die
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