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Ein Leben unter Toten

Ein Leben unter Toten

Titel: Ein Leben unter Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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aber von den schrillen Gesängen der alkoholisierten Frauen übertönt.
    Der Wind griff nach den an den bunten Girlanden hängenden Lampions wie mit unsichtbaren Händen. Er schaukelte sie. Das Licht verteilte sich. Mal streifte die bunte Fülle die Grabsteine, mal zuckte es über die Gesichter der Frauen und machte aus der bleichen Haut maskenhafte Clownsfratzen. Die ersten verließen ihre Plätze. Sie kippten die Stühle kurzerhand nach hinten und verteilten sich zwischen die Grabsteine, wo sie sich auch sammelten und zum Tanz aufstellten.
    Es war für die Frauen nicht einfach, die Balance zu halten. Wenn sie sich im Takt bewegen wollten, wirkte dies schwerfällig träge, und sie mußten sich oft genug an den Steinen abstützen.
    Einige drehten sich im Kreis. Es waren nie glatte Bewegungen, sie glichen mehr dem Torkeln von aufgezogenen Puppen, wobei sie lächerlich und tragisch zugleich wirkten. Und auch makaber, denn wer tanzte schon auf einem Friedhof zwischen alten Grabsteinen. Lady Sarah hatte keine Lust, sich an dem Reigen zu beteiligen, zudem machte sie sich Sorgen um John Sinclair. Sie wunderte sich darüber, daß der Geisterjäger bisher noch nichts hatte von sich hören lassen Ob ihm etwas passiert war?
    Verstohlen schaute sie sich um.
    Von Blanche Everett war nichts mehr zu sehen. Möglicherweise war auch sie im Haus verschwunden. Nur die Gestalt des Helfers Curd stand wie ein schlanker Schatten zwischen den Stämmen zweier Bäume. Der Mann hatte einen Arm in die Höhe gereckt und seine Finger um einen Ast gekrallt, an dem er sich festhielt.
    »Was haben Sie?« fragte Carola Finley, der Lady Sarahs Verwandlung nicht entgangen war.
    »Ich fühle mich unbehaglich.«
    »Fragen Sie mich mal. Suchen Sie Ihren Bekannten?«
    »Auch das.«
    »Wo wollte er denn hin?«
    »Keine rechte Ahnung. Ich nehme an, daß er das Haus einmal richtig inspiziert.«
    »Das ist natürlich gefährlich.«
    »Almählich glaube ich es auch«, erwiderte Lady Sarah. »Vor allen Dingen, weil Boco verschwunden ist. Vielleicht sind er und John Sinclair zusammengestoßen.«
    Carola erschrak. »Das übersteht Ihr Freund nicht.«
    »Erst mal abwarten.«
    »Und die Everett ist auch weg«, sagte Carola Finley. »Mir gefällt es überhaupt nicht.«
    »Vielleicht holt sie die Gäste.«
    »Welche Gäste?«
    »Es ist doch davon gesprochen worden, daß Gäste kommen sollen.«
    Carola winkte ab. »Daran glaube ich nicht. Nur Reklame, wenn Sie mich fragen.«
    Die Horror-Oma hob sie Schultern und zuckte zusammen, als sie Edith Wisers schrille Stimme vernahm.
    »Kinder, ich will tanzen. Kommt her! Wer tanzt mit mir? Wer dreht den Totenreigen auf dem Friedhof?«
    »Die ist verrückt!« zischte Carola.
    »Nein, nur betrunken«, erwiderte Sarah Goldwyn trocken.
    Carola Finley konnte nicht mehr. Sie schüttelte heftig den Kopf. »Dieses Getue da widert mich an, tut mir leid.«
    Sie wollte aufstehen, doch Lady Sarah legte ihr eine Hand auf den Arm. »Bleiben Sie mal, meine Liebe, und behalten Sie die Nerven.«
    »Es fällt mir sehr schwer.«
    »Kann ich mir vorstellen, aber wir müssen es über uns ergehen lassen.«
    Edith Wiser hatte es mittlerweile geschafft, mehrere Frauen um sich zu versammeln. Sie bildeten einen Kreis, und genau zwischen ihnen befand sich ein Grabstein.
    Ihn umtanzten sie im Rhythmus der Musik, so daß mehr als grotesk anmutende Figuren dabei herauskamen.
    Die auf modern getrimmten älteren Frauen wirkten wie ein schlechtes Zerrbild aus der Werbung. Es war schwer für sie, das Geichgewicht zu behalten, obwohl sie sich aneinander festklammerten. Edith Wiser hielt sich am besten. Wenn jemand drohte schlappzumachen, riß sie diejenige Person wieder mit einem heftigen Schwung in die Höhe, so daß diese gezwungen war, weiterzutanzen. Das Beispiel der Frauen spornte an. Andere standen ebenfalls auf und hüpften auf dem Totenacker. Auch sie hatten Schwierigkeiten mit dem Gleichgewicht, sie torkelten über die Gräber, klammerten sich manchmal an den Steinen fest und lachten wie irre.
    Über ihren Köpfen schaukelten die Lampions. Die Gesichter und Gestalten bekamen einen matten bunten Glanz, so daß die Körper überhaupt nicht wie normale Lebewesen wirkten.
    Eine Gruppe bewegte sich auf das frische Grab zu. Die Frauen hielten sich an den Händen gefaßt, schunkelten noch dabei, eine von ihnen fiel hin, wurde wieder hochgezogen und weitergeschleift.
    »Sie zerstören die Ehre der Toten!« zischte Carola Finley. Lady Sarah hatte die Worte zwar

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