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Ein leises boeses Fluestern

Ein leises boeses Fluestern

Titel: Ein leises boeses Fluestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodus Carroll
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sie unter den Blutbuchen hindurch waren, lag der Garten in vollem Sonnenlicht vor ihnen. Clarissa warf sich auf das frisch geschnittene Gras. Schnell pflückte sie eine reife Tomate ab und drückte sie fest zusammen, so daß der rote Saft Max anspritzte und ihm über den Hals lief.
    »He!« Er ließ sich ins Gras fallen und wischte sich den Hals mit dem Ärmel ab, und dann lagen sie keuchend nebeneinander, sahen hoch zu dem wolkenlosen Himmel und lachten leise.
    »Ich wette, solchen Spaß hast du mit Arnie nicht«, stieß Clarissa hervor. »Überhaupt mit niemandem.«
    »Da hast du recht«, stimmte Max zu. »Und ich hätte auch keine Lust dazu.«
    Er setzte sich auf und sah sie an. »Keine Halsschmerzen und keine laufende Nase mehr?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Dann können wir uns ja zusammen eine Arbeit vornehmen.«
    »Was für eine Arbeit?«
    Max holte einen Kanister mit einem Insektenvernichtungsmittel und einen kleinen Korb mit geschnittenem Gras. Er öffnete den Kanister. »Ich will einen Giftring um die Tomaten ziehen, um das Ungeziefer fernzuhalten, und du deckst ihn dann etwa sechs Zentimeter hoch mit Gras zu.«
    »Warum müssen wir das Gift mit Gras zudecken?«
    »Damit die Rotkehlchen nicht darankommen.«
    »Das ist gut.« Clarissa kniete sich neben den Graskorb. »Alle langweiligen Leute können sich vergiften, aber die Rotkehlchen wollen wir schützen.«
    »Solche Witze darfst du nicht machen.« Max kniete sich ebenfalls auf den Boden.
    »Ich mache keine Witze.« Ihre blauen Augen verengten sich. Einen solchen Gesichtsausdruck wie jetzt hatte Max noch nie an ihr gesehen. »Rotkehlchen sind unschuldig und gut. Aber die Menschen …« Sie machte eine verächtliche Handbewegung.
    »Clarissa, das ist gar nicht lustig.«
    »Wenn Menschen etwas zu bedeuten haben, warum lassen mich meine Eltern dann allein? Warum will Louise mich im Stich lassen?«
    Das erschütterte ihn. »Du bedeutest doch etwas, Clarissa, du selbst!«
    »Natürlich.« Sie lachte. »Und du auch. Nur wir beide.« Sie beugte sich über den Graskorb und ignorierte seinen fragenden Blick.
    Sie arbeiteten zusammen in der Morgensonne. Clarissa häufte Gras um eine lange Reihe von Tomatenstauden, die das kultivierte Land abgrenzten. Als sie fertig waren, rieb Clarissa ihre Knie und setzte sich in den Schatten.
    »Setz dich in die Sonne«, befahl Max. »Der Schatten ist nicht gut für deine Erkältung.«
    Clarissa stand auf und setzte sich neben ihn auf einen sonnenwarmen Stein. »Ich arbeite gern mit dir«, erklärte sie. »Das ist gar nicht langweilig. Was Gärten betrifft, hast du allerhand auf dem Kasten. Vielleicht macht es mir soviel Spaß, weil alles so schön wächst. Ich habe noch nie so große Maiglöckchen gesehen wie die, die du auf dieser Seite des Hauses gepflanzt hast.«
    »Meine Mutter pflückte immer kohlkopfgroße Maiglöckchensträuße.«
    »Aus ihrem Garten?«
    »Ja.«
    »Ich liebe es, Blumen zu pflücken«, meinte Clarissa. »Große, bunte Sträuße, die gut riechen und nicht stachlig sind.«
    »Wann hast du den Flieder ausgerissen?« fragte er wie nebenbei.
    Clarissa wandte ihr Gesicht ab und beschattete die Augen. »Er war doch sowieso tot. Ich sagte dir ja, er würde nicht anwachsen.«
    »Wann hast du ihn ausgerissen?«
    »Letzte Woche im Regen.« Clarissa ließ ihn die ganze Macht ihrer blauen Augen fühlen. »Das mußt du verstehen. Wir gingen an den Fluß, um uns das Dampfboot anzusehen, und sie befahlen mir, den Flieder auszureißen, weil sie nicht wollen, daß in der Nähe des Wurzelkellers irgend etwas wächst.«
    »Also gut. Sie befahlen dir, den Flieder auszureißen. Tust du immer, was sie dir befehlen?«
    »Wir sind Freunde.«
    »Ich bin auch dein Freund.«
    »Das ist nicht dasselbe.« Um ihren Mund grub sich eine Linie kalter Entschlossenheit. »Sie brauchen mich, damit ich mit ihnen spreche und ihnen zuhöre und mit ihnen etwas unternehme. Sie haben sonst niemanden.«
    »Was unternehmt ihr?«
    »Wir gehen spazieren. Sie wissen alles über den Fluß und wie es früher hier war. Wir spielen zusammen.«
    »Was spielt ihr?«
    »Schule – sie haben Tafeln und Kreide, und wir spielen zusammen Schule.« Clarissas Lächeln war von strahlender Unschuld. »Sie wollen mir Italienisch beibringen, wenn ich sehr gut bin. Ihre Mutter war Italienerin, und von ihr haben sie die Sprache gelernt. Wenn sie miteinander italienisch sprechen, hört sich das so hübsch ausländisch an, aber mir paßt es nicht, daß ich sie dann nicht

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