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Ein leises boeses Fluestern

Ein leises boeses Fluestern

Titel: Ein leises boeses Fluestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodus Carroll
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amüsieren.«

 
XII
     
     
    Aus dem Schatten der unteren Veranda heraus beobachtete Clarissa, wie sie zum Blumengarten spazierten und dann zu Max’ Wagen hinübergingen. Sie hörte Sally lachen. Sie sah, daß Sally, im Wagen sitzend, ihren Kopf zu Max neigte. Als sie abgefahren waren, rannte Clarissa die Treppe hinauf zur hinteren Veranda, legte sich auf die alte Bank und blickte zu der himmelblau gemalten Decke empor.
    Sie hörte Arnold Clover vor die Tür treten und nach Sally rufen. Dann wurde die Fliegendrahttür der unteren Veranda zugeknallt. Als Max und Sally zurückkehrten, lag Clarissa immer noch auf der Bank und horchte. Sie gingen in die Küche hinunter. Lachen und laute Stimmen drangen an ihr Ohr, Sallys leises Lachen, und nach einer Weile sang Louise mit tremolierender Stimme eine irische Melodie.
    Clarissa bezog einen neuen Horchposten oben an der Treppe. Dann ging sie durch das Wohnzimmer mit der Schiebetür, die Treppe hinauf, vorbei an dem großen Badezimmer auf dem Treppenabsatz und noch einmal ein paar Stufen hoch. Hier, im zweiten Stock, lagen Louises Zimmer und ein weiterer Raum, der sich über der Diele befand. Clarissa betrat diesen Raum und sah durch den alten Maschendraht vor den Fenstern auf die Eichen und die Blutbuchen, die den Rasen beschatteten. Aus dieser Höhe wirkte Max’ Garten wie eine Blumenwiese und die Schmetterlinge – Clarissa war sicher, sie waren da – wie fliegende Veilchen.
    Einen angsteinflößenden Augenblick lang vergaß Clarissa, wie ihre eigene Mutter aussah – nicht ganz und gar, aber das Gesicht und das Lächeln ihrer Mutter. Clarissa schloß die Augen und versuchte, sich daran zu erinnern. Aber es war zu heiß zum Denken. In dem Zimmer war es zum Ersticken. Die dünnen Vorhänge hingen bewegungslos an den Seiten des Fensters herab. Clarissa sprach den Namen ihrer Mutter, aber der Klang ihrer Stimme blieb in der heißen, stillen Luft hängen, und als Echo kam nur ihre Einsamkeit zurück.
    Sie hörte ein Geräusch auf der Treppe und ging in den Flur. Sie lugte über das Geländer. Sally Tolliver stand auf dem Treppenabsatz.
    »Wo ist das Klo, Schätzchen?« flüsterte Sally.
    Clarissa wies auf die Tür zum Badezimmer.
    Sally, die leicht schwankte und sich am Geländer festhielt, verschwand im Badezimmer. Clarissa ging ihr nach und setzte sich auf den Rand der Badewanne, während Sally die Toilette benutzte.
    »Ihr habt da ein hübsch großes Haus«, bemerkte Sally verlegen. Sie zog die Wasserspülung und wusch sich die Hände an dem alten Marmorwaschbecken. »Nicht gerade das neueste, aber nett. Ein bißchen altmodisch.«
    Clarissa ging auf die Tür zu. »Ich dachte, Sie hätten Angst vor dem Haus.«
    »Ich? – Keine Spur!« behauptete Sally. Sie langte nach einem leinenen Gästehandtuch, dann entschloß sie sich anders und wischte ihre nassen Hände an ihrem Baumwollrock ab. »Nachts möchte ich natürlich nicht hier sein. Aber am Tag habe ich keine Angst.«
    Sie gingen die Treppe hinunter. »Ich fühle mich völlig sicher«, fuhr Sally fort, »solange es draußen nicht dunkel ist.«
    »Warum sind Sie nicht in das Badezimmer im Erdgeschoß gegangen?«
    »Um Gottes willen, dort kann man mich doch hören!« Es war Sally anzumerken, daß sie ziemlich betrunken sein mußte. Sie legte die Finger auf den Mund. »Deshalb bin ich ja nach oben gekommen. Die Tür von dem Klo unten schließt nicht einmal richtig.«
    Sie hatten die Diele erreicht.
    »Nein, dieser Kronleuchter!« Sally blieb vor Verwunderung der Mund offenstehen. »Gläserne Früchte und all diese kristallenen Tränentropfen! Das ist ja ein richtiges Kunstwerk.« Sie trat in das Wohnzimmer. »Für was benutzt ihr diese Räume?«
    »Meine Mutter nimmt hier den Tee, und manchmal spielt sie auf dem Spinett. Voriges Jahr haben wir hier den Weihnachtsbaum aufgestellt.«
    »Wundervoll!« schwärmte Sally.
    »Und ihre Großmutter gab hier ihre Gesellschaften. Sie benutzten beide Zimmer als Ballsaal.«
    »Zum Tanzen? Ja, sicher.«
    Sally ging zurück in die Diele. Lächelnd sah sie Clarissa an. »Siehst du wohl. Du hast mir mit deinem Gerede über die Zwillinge kein bißchen Angst einjagen können. Und außerdem habe ich mir das alles längst zurechtgelegt. Bisher hat sie noch nie ein Erwachsener gesehen. Nur Kinder.« Sie lachte nervös auf. »Daher bin ich völlig sicher.«
    Clarissa zuckte die Schultern, öffnete die Tür zu ihrem eigenen Zimmer und schaltete die Lampen an.
    »Ist das dein Zimmer?« fragte

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