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Ein leises boeses Fluestern

Ein leises boeses Fluestern

Titel: Ein leises boeses Fluestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodus Carroll
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eine große irdene Wanne.«
    »Wessen Großmutter?« fragte Sally und lächelte Max an.
    »Ihre Großmutter«, sagte Clarissa. »Sie wissen genau, wen ich meine.«
    Sally fuhr herum. Ihr Gesicht war kreidebleich geworden. »Du solltest keine solchen dummen Witze machen. Du solltest nicht versuchen, den Leuten Angst einzujagen. Vermutlich hat Max dir erzählt, daß mein kleiner Bruder sie gesehen hat.«
    Clarissas Gesicht bewahrte seine ungetrübte Heiterkeit. »Max hat mir gar nichts erzählt. Max sagt nie etwas weiter.«
    Sally zog ein Taschentuch aus ihrer Rocktasche und führte es an die Lippen. »Ich möchte jetzt gern die Gärten sehen«, sagte sie zu Max. »Ich will vor dem Dunkelwerden wieder hier weg.«
    Nervös trat Max von einem Fuß auf den anderen. Dann nahm er Sallys Arm und führte sie auf die Reihen von Ringelblumen, Zinnien und Fingerhüten zu. »Geh rein und hilf Louise«, wies er Clarissa an. »Und iß deinen Lunch.«
    Während er Sally über den dichten Rasen zum Blumengarten lotste, der wie der Garten seiner Mutter einer leuchtenden, duftenden Sommerwiese glich, wurde Max die niederdrückende Vorstellung nicht los, daß Clarissa allein und verschmäht auf dem Brunnenrand zurückblieb. Er schüttelte die Schultern, versuchte, sich von ihrem Einfluß zu befreien, die Gedanken zu verjagen, er sei schuldig, er trage für sie die Verantwortung. Gleich darauf fragte er sich, ob er richtig handelte.
    Er war sich Sallys Nähe bewußt. Ihre dünne, farblose Gestalt schritt neben ihm her, ohne ihn zu berühren, ohne auch nur zufällig seinen Arm zu streifen. Er dachte daran, wie schrecklich lange es her war, daß er eine Frau gekannt hatte, wie lange er nicht mehr die Wärme eines Arms oder die Berührung einer Hand gespürt hatte. Es machte ihn traurig. Er fühlte sich einsam, und deshalb empfand er beinahe freundlich für sie. Denn als sie zusammen über den Rasen schritten, hatte er das Empfinden, daß auch sie einsam war. Ihre Einsamkeit schuf etwas Gemeinsames zwischen ihnen.
    Max kam zu dem Schluß, daß er Sally sehr gern seinen Garten zeigen wollte. Nach dem Lunch konnten sie einen Spaziergang unter den Blutbuchen hindurch und über den Rasen zu der eingestürzten Remise machen. Nachmittags war es schön unter dem Schatten des Blätterdachs. Dicke Büschel von Päonien blühten an der Grenze zum Wald. Und dann würde er ihr zeigen, wie töricht es war, im Dunkeln Angst zu haben. Sie würde erkennen, wie schön der Garten im Dämmerlicht war, wie sich die Farbe der Blumen vertiefte, ihr Duft sich verstärkte, wie alles still wurde, die Vögel darauf zu lauschen schienen, daß die Nacht hereinbrach. Die Luft war warm und weich wie Samt, und die Insekten zirpten im dunklen Gras. Er würde ihr den weißen Schimmer des Hauses in der Dämmerung zeigen. Es mußte schön sein, dachte er, jemandem diese Dinge zu zeigen.
    »Weißt du«, sagte Sally und lächelte ihn an, »mir gefällt es, hier draußen zu sein und die Gärten anzusehen und alles. Es ist so friedlich. Und weißt du, was ich gern hätte?« Sie legte die Hände auf den Mund. Ihre hellen Augen leuchteten. »Ich hätte gern eine Party.«
    »Ach ja?«
    »Laß uns Arnie überraschen und etwas zu trinken besorgen. Was zu einem Martini gehört. Gin und so. Wodka ist billiger, aber ich bekomme davon Kopfschmerzen. Außerdem wird der Martini mit einem guten Gin besser.«
    »Klar«, erwiderte Max. »Wir können holen, was dir gefällt. Mit Gin bin ich sehr einverstanden.«
    Sally schlang sich die Arme um die Schultern und lächelte. »Laß uns gleich gehen, damit wir Arnie überraschen können.«
    Sie gingen über den Rasen auf Max’ Kombiwagen zu, der in der Zufahrt geparkt war. Sally stieg ein und setzte sich schweigend auf den Beifahrersitz. Max drehte den Zündschlüssel.
    »Max«, sagte sie leise, »ich möchte mich entschuldigen für das, was ich über das Haus gesagt habe. Ich meine, weil du doch hier wohnst und so … Es tut mir leid, daß ich – du weißt schon, was – gesagt habe.«
    »Ist schon in Ordnung, Sally.«
    »Ich meine, es ist schrecklich nett von dir, daß du die Getränke besorgen willst, und ich kann mich mit dem, was ich über das Haus gesagt habe, ja auch irren.«
    Sie faltete die Hände im Schoß und sah geradeaus auf die großen Eichen, die blaue Schatten über die Zufahrt und die rückwärtigen Veranden des Hauses warfen.
    »Ich meine, vielleicht können wir uns in deinem alten Spukhaus doch richtig

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