Ein letzter Brief von dir (German Edition)
arbeiten musst.» Orla schlug mit der flachen Hand auf die Bettdecke, um das Gesagte zu betonen.
«Ich kenne dich genau. Ich habe nicht vergessen, was für eine Grimasse du gezogen hast, als ich dir sagte, wer die weibliche Hauptrolle spielt.»
Sie hatte den Mund schon geöffnet, um zu protestieren, schloss ihn dann aber wieder. Damit hatte er recht. Sie pochte lieber nicht auf ihre moralische Überlegenheit. «Na ja, zu meiner Verteidigung: Anthea, wie heißt sie noch gleich, hat ja nun mal einen gewissen Ruf. Und es war ja nur eine Grimasse. Eigentlich war es nur ein Scherz. Weißt du noch, was Scherze sind?»
«Ich wette, du bist jeden einzelnen Satz des Drehbuchs durchgegangen, um zu prüfen, ob ich eine Sexszene mit ihr habe.»
Orlas Gewissen war eine kleinkarierte, puritanische Landplage, und es ließ nicht zu, dass sie einfach entgegnete:
Ha! Da hast du aber unrecht!
«Das würden die meisten Frauen so machen.»
Beide schwiegen. Orla zwang sich dazu, sich zurückzuhalten, ihm nicht zu gestehen, wie schwierig es war, Regieanweisungen an ihren Freund und einen berühmten männermordenden Vamp zu lesen, in denen stand, dass sie sich nackt zusammen auf einem Fellteppich wälzen sollten.
Sim hatte sich schon wieder ein bisschen beruhigt, als er weitersprach. «Ich sehne mich so nach dir, Orla», sagte er. «Ich bin so weit weg von zu Hause. Und ich vermisse meine Fee.» Er seufzte. Es quietschte, als er sich aufs Bett sinken ließ. «Außerdem bin ich ein Trottel, und das macht es auch nicht besser.»
«Ich sehne mich auch nach dir.» Orla ging sofort auf das Friedensangebot ein. «So sehr. Aber da wir gerade beim Thema sind …» Ob es wohl schon an der Zeit war, es mit einem Witz zu versuchen? «Warum
bist
du erst so spät heimgekommen, du schmutziger Schürzenjäger?»
Sim lachte müde.
«Im Ernst, O, ich merke da
wirklich
etwas, wenn du nach Ant fragst. Als ob du glauben würdest, dass da etwas läuft.»
«Unsinn», entfuhr es Orla laut: Das war ein unfairer Angriff. «Ich weiß, wie böse du bist, und ich weiß, wie böse du nicht bist. Von Anthea habe ich nichts zu befürchten.»
«Wir müssen das im Keim ersticken.» Er hörte ihr gar nicht zu.
«Aber ich hab dir doch gesagt …»
«Nein. Hör mir zu. Wenn ich den Sprung zum Film schaffe, und das wird bald passieren, dann werde ich oft mit weltberühmten, sexy Frauen drehen. Das ist nun einmal so. Wir können diesen Streit nicht jedes Mal ausfechten, wenn ich vor der Kamera meine Hose ausziehe.»
An diesem Punkt war es längst überflüssig, zu betonen, dass «dieser Streit» vollkommen selbstgemacht war.
«Orla, entweder bist du für oder gegen mich.»
«Hörst du dich eigentlich selbst reden? Du bist Schauspieler, kein Widerstandskämpfer, der seine Truppen um sich sammeln muss.» Die darauffolgende Stille machte Orla Angst. «Sag doch was!», sagte sie schließlich und ärgerte sich sofort über ihren weinerlichen Ton.
«Ist alles in Ordnung mit uns? Kann ich meinen Job weitermachen, ohne dass ich mir um dich Gedanken machen muss?»
Hier ging es offenbar nur um ihr Verhalten. Orla schluckte. Diese Angelegenheit würden sie später, wenn sie sich abgeregt hätten, noch einmal besprechen müssen.
«Natürlich ist alles in Ordnung mit uns, Liebling.»
«Diese Angelegenheit» wurde nie wieder besprochen. Irgendein Westlondoner Witzbold hatte einen Schnurrbart unter Sims Nase gemalt.
Kapitel elf
O rla musterte Bognas zerfetzte schwarze Strumpfhose und die knappen Jeansshorts.
«Ist dir nicht kalt?»
«Doch.» Bogna schaute auf ihre Beine hinunter. «Aber das ist es wert, umwerfend auszusehen.»
Bogna
sah
umwerfend aus, auf eine kantige Springmesserart, die sie mit ihren Doc Martens und dem breiten Eyeliner-Strich noch betonte. «Wir brauchen Frauen wie dich», sagte Orla zu dem mürrischen Teenager, «um ein Gegengewicht zu den Spielerfrauen-Barbies zu haben.»
«Was ist denn eine Spielerfrau-Barbie?» Maude kniete in der Kochbuchecke und schaute neugierig hoch.
«Silikon-Titten, Haarverlängerungen, Stripper-Stilettos, reicher Freund», erklärte Bogna knapp.
«Ich glaube, meine Einser-Schülerin hat den Terminus damit erschöpfend erklärt», sagte Orla belustigt.
«Klingt grauenvoll», sagte Maude und presste die Hand auf ihr wackeliges Knie, um sich aufzurichten.
Orla legte ihr Buch zur Seite und hastete zu Maude, aber Bogna war schneller und half ihr auf die Beine.
«Danke, Liebes.» Maude lächelte ihre neueste,
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