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Ein letzter Brief von dir (German Edition)

Ein letzter Brief von dir (German Edition)

Titel: Ein letzter Brief von dir (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Ashton
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die Menschen angezogen. Sie hatte immer etwas hinter ihm gestanden, seine Hand gehalten und sich kühl und sicher in seinem Schatten gefühlt.
    Banale Mädchenhaftigkeit, die sich in Geplapper über Frisuren und Nagellack und Brazilian Waxing erschöpfte, langweilte Orla normalerweise zu Tode. Aber jetzt hatte sie Tag für Tag eine bohrende Frage in ihrem Kopf:
Was soll ich da bloß anziehen?
Sie vermisste Juno schmerzlich. Ihre Freundin hatte ein Auge für Mode und wusste genau, was man in welchen Kombinationen anziehen musste. Sie schaffte es immer wieder, Orla davon abzubringen, ausgeflippte Merkwürdigkeiten zu kaufen.
    Wenn sie Anthea besser gekannt hätte, hätte sie sie anrufen und um Rat fragen können. Die Schauspielerin hätte dann vielleicht die Befangenheit ihr gegenüber ablegen können. Orla warf einen Blick auf die Vorhänge, die Sims neckisches Lächeln verbargen. Sie stand auf und zog sie beiseite. Nicht einmal diese kleine Illoyalität konnte sie sich zugestehen. «Warum kannst du nicht meine Begleitung sein?», fragte sie ihn und fiel prompt zurück in ihre Erinnerungen.
     
    Er nahm immer nach dem dritten Klingeln ab.
    Orlas eigene Stimme war schon ganz süß vor Schläfrigkeit. «Hey, Süßer, da bist du ja endlich!» Nach mehreren erfolglosen Anrufen war dies ihr letzter Versuch. Sie lag schon tief unter ihrer Bettdecke vergraben und war kurz vorm Einschlafen.
    «Jawohl.» Sim war müde und kurz angebunden. «Hier bin ich.» Ein lautes Knallen, wie eine Tür, die zugeschlagen wurde.
    «Bist du gerade nach Hause gekommen?»
    «Genau.»
    Sie lag geradezu lächerlich falsch, denn sie stellte sich seine Londoner Wohnung ganz in Blaugrün und Braungrau vor, mit glänzenden Oberflächen und dem Schnurren der Zentralheizung. «Bist du sehr erschöpft, mein Armer?»
    «Total.» Ein unterdrücktes Grunzen sagte Orla, dass er gerade seine Schuhe auszog. Turnschuhe, wahrscheinlich.
    «Zieh dir den Morgenmantel an. Dafür habe ich ihn dir doch gekauft. Damit du es gemütlich hast, wenn du müde und weit weg von zu Hause bist.»
    Ein lautes Gähnen, wie ein Löwe nach einem Dreigängemenü, zwang Orla, den Hörer weit vom Ohr wegzuhalten. «Du
bist
müde.»
    «Tut mir leid, Fee. Rufst du an, um gute Nacht zu sagen? Heute bin ich echt zu kaputt für Cybersex, mein Schneckchen.»
    «Verflucht noch mal. Aber macht nichts.»
    «In dieser verdammten Küche gibt es aber auch gar nichts zu essen», murrte Sim. Orla hörte, wie die Küchenschranktüren geöffnet und wieder zugeschlagen wurden.
    «Viel zu spät, um nach Hause zu kommen», sagte Orla mitfühlend. Sie schaltete ihre Nachttischlampe aus und genoss seine Stimme in der Dunkelheit. «Wieso haben sie dich so lange dabehalten?»
    «Oh nein, das tust du jetzt nicht. Nein, nein, nein.»
    Verwirrt dachte Orla zuerst, dass Sim mit jemand anders sprach. Aber nein, er sprach mit ihr, und seine Stimme klang überhaupt nicht mehr müde.
    «Fang jetzt nicht damit an, Orla.»
    «Hä?» Sie lachte unsicher. Sie spürte, dass er es bitterernst meinte. «Womit anfangen?» Sie war nicht verärgert. Sie war viel zu verdutzt, um verärgert zu sein.
    «Ich kenne diesen Tonfall.
Wieso haben sie dich so lange dabehalten
?» Er imitierte sie mit hoher, hysterischer Stimme.
    «So rede ich doch gar nicht.» Orla hielt sich an ihrer guten Stimmung fest. «Sieh mal, mein Schatz, du bist erschöpft. Lass uns einfach gute Nacht sagen und …»
    «Auf keinen Fall.» Sim war so aufgebracht, als ob sie bereits tief in einer erbitterten Auseinandersetzung steckten. «Wir klären das hier und jetzt.»
    «
Was
denn klären?» Ihre ganze wohlige Schläfrigkeit war plötzlich verflogen, und Orla setzte sich auf.
    «Du weißt, wie lange ich dafür gearbeitet und darauf gewartet habe. Dies hier ist meine große Chance, mein Durchbruch.»
    «Ja. Absolut. Ganz deiner Meinung. So weit, so gut. Könntest du mir jetzt bitte erklären, worüber zum Teufel wir uns gerade streiten?»
    «Wir streiten darüber, dass ich mir diesen verdammten Tonfall in deiner Stimme einfach
nicht
anzuhören brauche.»
    «Welchen Tonfall?» Orla schaltete die Lampe wieder an. Dies drohte ein langes Gespräch zu werden.
    «Das weißt du genau.» Sim war grob und ungeduldig. «Diesen sarkastischen Tonfall. Den misstrauischen. Als ob du Fallen aufstellst, um mich hineinlaufen zu lassen.»
    «Da war gar kein Tonfall. Ich habe dich gefragt, warum du erst so spät nach Hause kommst. Ich war
mitfühlend
, weil du so lange

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