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Ein Lied für meine Tochter

Ein Lied für meine Tochter

Titel: Ein Lied für meine Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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helfen könne, tritt meine Mutter vor und strahlt sie an. »Meine homosexuelle Tochter wird heiraten«, verkündet sie.
    Ich spüre, wie meine Wangen glühen. »Warum bin ich plötzlich deine homosexuelle Tochter?«
    »Also ich würde meinen, das solltest du doch am besten wissen.«
    »Du hast mich früher doch auch nicht als deine Hetero-Tochter vorgestellt.«
    Meine Mutter schaut mich traurig an. »Ich dachte, du willst, dass ich stolz auf dich bin.«
    »Ach, jetzt bin ich wohl an allem schuld, ja?«, erwidere ich.
    Die Verkäuferin blickt von mir zu meiner Mutter. »Ich denke, ich gebe Ihnen noch ein paar Minuten Zeit«, sagt sie und huscht davon.
    »Jetzt schau nur, was du getan hast«, seufzt meine Mutter. »Du hast sie in Verlegenheit gebracht.«
    »Willst du mich auf den Arm nehmen?« Ich schnappe mir einen Pump aus dem Regal. »Hi«, äffe ich Mom nach, »haben Sie diesen Schuh auch in der Größe meiner Mutter, der Sadomasochistin? Sie hat siebeneinhalb.«
    »Erstens kann ich mit SM nichts anfangen. Und zweitens ist dieser Schuh einfach nur furchtbar.« Sie schaut mich an. »Nicht jeder ist dir feindlich gesonnen, weißt du? Nur weil du das neueste Mitglied einer Minderheit bist, musst du nicht immer das Schlimmste von den Menschen annehmen.«
    Ich setze mich auf eine weiße Couch inmitten eines Bergs von Tüll. »Du hast leicht reden. Du findest ja auch nicht täglich Flugblätter und Broschüren der Eternal Glory Church in deinem Briefkasten. ›Zehn kleine Schritte in Richtung Jesus‹. ›Heterophobie‹.« Ich blicke zu ihr hinauf. »Dir macht es ja vielleicht Spaß, meinen Beziehungsstatus hinauszuposaunen, mir aber nicht. Man muss die Leute doch nicht mit aller Gewalt vor den Kopf stoßen.« Ich drehe mich zu der Verkäuferin um, die gerade ein Kleid in einem Plastiksack verstaut. »Schließlich kennen wir die Frau doch gar nicht. Vielleicht singt sie ja im Chor der Eternal Glory Church.«
    »Oder«, kontert meine Mutter, »sie ist auch lesbisch.« Sie setzt sich neben mich, und die Kleider blähen sich um uns herum. »Liebes … Was ist denn los?«
    Peinlicherweise steigen mir die Tränen in die Augen. »Ich weiß nicht, was ich zu meiner eigenen Hochzeit anziehen soll«, gebe ich zu.
    Meine Mutter schaut mich an, nimmt meine Hand und zieht mich von der Couch und raus auf die Boylston Street. »Wovon zum Teufel redest du da?«
    »Die Braut soll doch im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen«, schluchze ich. »Aber was ist, wenn es zwei Bräute gibt?«
    »Nun … Was trägt Vanessa denn?«
    »Einen Anzug.« Sie hat bei Marshalls einen wunderbaren weißen Anzug gefunden, der ihr wie angegossen passt. Aber ich habe in meinem Leben noch nie einen Anzug getragen.
    »Na ja, dann kannst du wohl tragen, was du willst …«
    »Aber nichts Weißes«, platze ich heraus.
    Meine Mutter schürzt die Lippen. »Weil du schon einmal verheiratet warst?«
    »Nein. Weil …« Bevor mir herausrutscht, was mir so schwer auf dem Herzen liegt, schließe ich rasch den Mund.
    »Weil was?«, hakt meine Mutter nach.
    »Weil es eine Homohochzeit ist«, flüstere ich.
    Als Vanessa mir den Antrag gemacht hat, habe ich keinen Augenblick gezögert und Ja gesagt. Aber es hätte mir auch gereicht, vor einem Friedensrichter in Massachusetts zu heiraten. Eine großangelegte Zeremonie mit anschließendem Empfang wollte ich gar nicht. »Jetzt komm schon, Zoe«, hat Vanessa zu mir gesagt. »Alle Menschen, die du liebst, kommen zweimal im Leben zusammen: auf deiner Hochzeit und bei deiner Beerdigung. Und ich weiß, dass ich auf Letzterer nicht annähernd so viel Spaß haben werde.« Doch obwohl ich mich anschließend jeden Abend mit Vanessa zusammengesetzt und im Internet nach Bands und Caterern für den Empfang gesucht habe, habe ich in Gedanken ständig nach einem Fluchtweg gesucht, nach einer Möglichkeit, Vanessa davon zu überzeugen, stattdessen einfach einen Flug auf die Bahamas zu buchen.
    Aber …
    Im Gegensatz zu mir ist Vanessa noch nie an den Altar geführt worden. Sie ist noch nie mit Hochzeitstorte gefüttert worden und hat getanzt, bis sie Blasen an den Füßen hatte. Und wenn es das ist, was sie will, dann werde ich ihr diese Erfahrung nicht verweigern.
    Ich wollte, dass jeder weiß, wie glücklich ich mit Vanessa bin, aber dafür brauche ich keine Hochzeit. Ich weiß nicht warum. Vielleicht, weil das alles noch neu für mich ist oder weil ich laut und deutlich gehört habe, wie Max darüber denkt. Für ihn ist eine

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