Ein Lied für meine Tochter
wiederkommen wird.
Ich weiß, dass es Glück bedeutet, wenn es auf der Hochzeit regnet, aber ich bin nicht sicher, ob das auch für einen Blizzard gilt. Heute ist unser Hochzeitstag, und der Aprilsturm, den die Meteorologen angekündigt haben, hat sich in eine wahre Naturkatastrophe verwandelt. Das Verkehrsministerium hat sogar Teile des Highways sperren lassen.
Wir sind schon gestern in Fall River angekommen, um alles vorzubereiten, doch die meisten Gäste werden erst heute Abend zur Feier anreisen. Immerhin liegt Massachusetts ja auch nur eine Stunde Fahrt entfernt. Doch heute ist das schier unendlich weit.
Und als wäre das Wetter noch nicht Katastrophe genug, kommt es auch noch im Restaurant zum Desaster. Genau dort, wo wir feiern wollen, gibt es einen Wasserrohrbruch. Ich schaue zu, wie Vanessa ihren Freund Joel zu beruhigen versucht, einen Hochzeitsplaner, der uns die Organisation der Feier zur Hochzeit geschenkt hat. »Da drin steht das Wasser drei Zoll hoch«, heult Joel und schlägt die Hände vors Gesicht. »Ich glaube, ich hyperventiliere.«
»Ich bin sicher, irgendwo kann man eine Party auch kurzfristig feiern«, sagt Vanessa.
»Ja klar. Und vielleicht erklärt Ronald McDonald sich ja auch dazu bereit, die Trauung zu vollziehen.« Joel schaut Vanessa scharf an. »Ich habe einen Ruf zu verlieren. Ich werde nicht zulassen, dass irgendjemand auf einer meiner Feiern Pommes Frites als Vorspeise serviert. Niemals!«
»Vielleicht sollten wir den Termin ja verschieben«, sagt Vanessa.
»Oder«, schlage ich vor, »wir könnten einfach zu einem Friedensrichter gehen, und das war’s dann.«
»Liebes«, sagt Joel und schaut mich tadelnd an, »du hast dieses fantastische Kleid doch nicht angezogen, um damit in einer verstaubten Amtsstube aufzulaufen.«
Vanessa ignoriert ihn und tritt auf mich zu. »Sprich weiter.«
»Nun«, fahre ich fort, »die Party ist doch das Unwichtigste, oder?«
Hinter mir schnappt Joel hörbar nach Luft. »Das habe ich jetzt nicht gehört«, sagt er.
»Ich will nicht, dass alle, die hier rauffahren, ihr Leben riskieren«, sage ich. »Einen Trauzeugen haben wir schon – Joel –, und ich bin sicher, dass wir noch jemanden von der Straße holen können.«
Vanessa schaut mich an. »Du willst deine Mutter nicht dabeihaben?«
»Natürlich will ich das. Aber mehr noch will ich einfach nur heiraten. Wir haben das Aufgebot. Wir haben einander. Der Rest ist nur Zuckerguss.«
»Tut mir einen Gefallen«, mischt Joel sich wieder ein. »Ruft eure Gäste an, und überlasst die Entscheidung ihnen.«
»Und sollen wir ihnen auch sagen, dass sie Badeanzüge für den Empfang mitbringen sollen?«, kontert Vanessa.
»Überlasst das mal mir«, erwidert Joel. »Wenn die im Fernsehen eine Katastrophenhochzeit retten können, dann kann ich das schon lange.«
»Im Fernsehen retten sie Hochzeiten?«, fragt Vanessa verwirrt.
Joel rollt mit den Augen. »Manchmal bist du wirklich dumm, Liebes.« Er schnappt sich Vanessas Handy vom Tisch und drückt es ihr in die Hand. »Und jetzt fang an zu telefonieren, Schwester.«
»Die gute Nachricht ist«, sagt meine Mutter, als sie die Badezimmertür hinter sich schließt, »dass du trotz allem zum Altar schreiten wirst.«
Sie hat fünf Stunden gebraucht, aber sie ist trotz des Jahrhundertsturms in Massachusetts angekommen. Jetzt leistet sie mir Gesellschaft, bis es so weit ist. Hier drin riecht es nach Popcorn. Ich schaue mich in dem breiten Industriespiegel an. Mein Kleid ist perfekt, doch mein Make-up wirkt in dem trüben Licht ein wenig zu dramatisch. Und meine Frisur droht, bei dieser Feuchtigkeit nicht allzu lange zu halten.
»Die Pastorin ist hier«, verkündet meine Mutter.
Ich weiß das, denn sie hat kurz den Kopf hereingesteckt und Hallo gesagt. Maggie MacMillan ist eine humanistische Pastorin, die wir in den Gelben Seiten gefunden haben. Sie selbst ist nicht homosexuell, aber sie verheiratet häufig gleichgeschlechtliche Paare, und Vanessa und mir gefiel die Tatsache, dass sie bei ihren Zeremonien auf religiöse Elemente weitgehend verzichtet. Offen gesagt haben Vanessa und ich spätestens nach Max’ Besuch auch die Nase voll von Religion. Von Pastorin MacMillan jedoch waren wir sofort begeistert, nachdem sie vor Freude gejuchzt hat, als wir ihr erklärt haben, dass wir extra zur Eheschließung die Grenze nach Massachusetts überqueren würden. »Ich wünschte, Rhode Island würde es ebenso handhaben«, hat sie mit einem Lächeln erklärt.
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