Ein Lied für meine Tochter
gleichgeschlechtliche keine echte Hochzeit.
Warum mich das kümmert, kann ich nicht erklären. Immerhin wollen wir uns ja nicht von Pastor Clive trauen lassen. Die Menschen, die wir zu unserer Hochzeit einladen, lieben uns und werden uns nicht verurteilen, nur weil zwei winzige Bräute auf der Hochzeitstorte stehen und nicht Frau und Mann.
Aber um zu heiraten, müssen wir die Grenze von Rhode Island überschreiten. Wir müssen einen Pastor finden, der homosexuellen Ehen gegenüber aufgeschlossen ist, und wir müssen uns einen Anwalt besorgen, der alle notwendigen Papiere aufsetzt, damit wir im Notfall die gleichen Rechte unserem Partner gegenüber haben wie heterosexuelle Eheleute. Ich schäme mich nicht dafür, mein Leben mit Vanessa verbringen zu wollen, aber ich schäme mich für die Schritte, die ich dafür unternehmen muss und die mir das Gefühl geben, ein Bürger zweiter Klasse zu sein.
»Ich bin glücklich«, sage ich zu meiner Mutter, obwohl ich wie ein Schlosshund heule.
Meine Mutter schaut mich an. »Was du jetzt brauchst«, sagt sie und macht eine wegwerfende Geste in Richtung des Brautmodengeschäfts hinter uns, »ist bestimmt nicht das hier. Was du brauchst, sind Eleganz und Understatement. Etwas, das zu dir und Vanessa passt.«
Wir probieren es in drei Geschäften. Dann finden wir es endlich: ein schlichtes, elfenbeinfarbenes, knielanges Kleid, in dem ich nicht wie Cinderella aussehe. »Ich habe mich während einer Brandschutzübung in deinen Vater verliebt«, erzählt meine Mutter beiläufig, während sie das Kleid hinten zuknöpft. »Wir haben beide in einer Anwaltskanzlei gearbeitet – er als Buchhalter und ich als Sekretärin –, und sie haben das Gebäude evakuiert. Wir trafen uns neben einem Maschendrahtzaun, und er hat mir einen halben Keks angeboten. Als das Gebäude freigegeben wurde, sind wir nicht wieder hineingegangen.« Sie zuckt mit den Schultern. »Bei seiner Beerdigung haben viele meiner Freunde zu mir gesagt, es sei schlicht Pech gewesen, dass ich mich in einen Mann verliebt hätte, der mit Anfang vierzig stirbt. Aber weißt du was? So habe ich das nie gesehen. Ich habe immer gedacht, was für ein Glück ich doch gehabt habe. Ich meine, was wäre wohl passiert, wenn es diese Brandschutzübung nie gegeben hätte? Dann hätten wir uns nie kennengelernt. Und ich hatte lieber ein paar wunderbare Jahre mit ihm als überhaupt keine.« Sie dreht sich zu mir um, sodass ich ihr in die Augen sehen kann. »Lass dir von niemandem sagen, wen du lieben sollst und wen nicht, Zoe. Ja, es ist eine homosexuelle Hochzeit, aber es ist auch deine Hochzeit.«
Sie fasst mich an der Schulter und dreht mich zum Spiegel um. Von vorne betrachtet könnte es einfach ein x-beliebiges hübsches, schlichtes Kleid sein, aber von hinten sieht das ganz anders aus. Eine Reihe von Seidenknöpfen mündet an der Hüfte in einen Stofffächer. Es sieht aus wie eine sich öffnende Rosenblüte.
Wenn jemand an mir vorbeigeht, wenn ich dieses Kleid trage, und mir dann hinterherschaut, wird er vermutlich denken: Damit habe ich aber nicht gerechnet.
Ich starre mich an. »Was denkst du?«
»Ich denke«, antwortet meine Mutter, und vielleicht redet sie von dem Kleid, vielleicht aber auch von meiner Zukunft, »dass du etwas Perfektes gefunden hast.«
Als Lucy unseren Konferenzraum betritt, zupfe ich bereits eine Melodie auf der Gitarre und summe mit. »Hey«, sage ich und drehe mich zu ihr um. Heute ist ihr rotes Haar matt und verdreht. »Willst du dir Dreadlocks machen?«
Sie zuckt mit den Schultern.
»Im College hatte ich eine Mitbewohnerin, die Dreadlocks haben wollte. Im letzten Augenblick hat sie jedoch gekniffen, da man Dreadlocks nur wieder loswird, indem man sie abschneidet.«
»Nun, vielleicht sollte ich mir ja den Kopf kahlscheren«, sagt Lucy.
»Ja, das könntest du«, erwidere ich und nicke zufrieden. Das ist ja schon fast ein Gespräch. »Du könntest die nächste Sinéad O’Connor werden.«
»Wer?«
Da wird mir klar, dass Lucy noch nicht mal auf der Welt gewesen ist, als die kahlköpfige Sängerin bei Saturday Night Live ein Bild des Papstes zerrissen hat. »Oder Melissa Etheridge. Hast du ihren Auftritt bei den Grammys gesehen, als sie nach der Chemo keine Haare mehr auf dem Kopf hatte? Sie hat einen Song von Janis Joplin gesungen.«
Ich nehme mein Plektron und spiele die ersten Akkorde von Piece of My Heart . Aus dem Augenwinkel heraus beobachte ich, wie Lucy die Bewegungen meiner Finger verfolgt.
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