Ein Lied für meine Tochter
»Aber ich nehme an, im Parlament von Rhode Island fürchtet man, dass es eine Kettenreaktion auslösen würde, sollte man Homosexuellen ihre Bürgerrechte zugestehen. Schließlich könnte sie dann jeder einfordern …«
Joel steckt den Kopf zur Tür herein. »Bist du bereit?«, fragt er.
Ich atme tief durch. »Ich denke schon.«
»Ich habe übrigens versucht, euch einen schwulen Magier für die Party zu besorgen, aber das hat nicht funktioniert«, erzählt Joel. »Es hat einfach Puff gemacht, und weg war er.« Er wartet, bis ich den Witz verstehe, und grinst. »Das funktioniert jedes Mal bei einer nervösen Braut.«
»Wie geht es Vanessa?«, frage ich.
»Großartig«, antwortet Joel. »Sie sieht fast so gut aus wie du.«
Meine Mutter gibt mir einen Kuss auf die Wange. »Ich sehe dich dann draußen.«
Vanessa und ich haben uns entschieden, gemeinsam zum Altar zu gehen. Zum einen haben wir beide keinen Vater, der uns an den Altar führen könnte, und zum anderen habe ich dieses Mal nicht das Gefühl, in die Obhut eines anderen übergeben zu werden. Wir sind gleichberechtigt. Und so folge ich Joel aus dem Brautzimmer und warte, während er Vanessa aus dem Raum für den Bräutigam holt. Sie trägt ihren weißen Anzug, und ihre Augen strahlen. »Wow«, sagt sie und starrt mich an. Ich sehe, wie ihr Hals arbeitet, als suche sie nach den richtigen Worten, um ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Schließlich nimmt sie meine Hände und legt die Stirn an meine. »Ich habe Angst«, flüstert sie. »Angst, jeden Augenblick aufzuwachen.«
»Okay, ihr Turteltäubchen«, sagt Joel und klatscht in die Hände, um unsere Aufmerksamkeit zu erregen. »Spart euch das für die Gäste.«
»Für die vier?«, murmele ich, und Vanessa schnaubt verächtlich.
»Mir ist noch jemand eingefallen«, sagt sie. »Rajasi.«
Die letzten vier Stunden haben wir uns überlegt, wer wohl tapfer genug sein würde, sich den Elementen zu stellen. Möglicherweise Wanda aus dem Altenheim. Sie ist in Montana aufgewachsen und an Schneestürme gewohnt. Und Alexa, meine Buchhalterin. Ihr Mann arbeitet für das Straßenverkehrsamt und hat vielleicht einen Schneepflug entführen können. Und ja, es ist auch nicht unwahrscheinlich, dass Vanessas langjährige Friseurin draußen auf uns wartet.
Zusammen mit meiner Mom wären das dann vier Gäste für unsere Party. Hurra!
Joel führt uns zwischen Kisten und Regalen hindurch zur Tür. Dort hängt ein kurzer Vorhang, und Joel zischt einen Befehl: »Schaut einfach immer geradeaus, folgt dem weißen Läufer und passt auf, wo ihr hintretet. Und meine Damen … ihr seht fantastisch aus.« Er küsst uns auf die Wangen, und Vanessa nimmt meine Hand.
Ein Streicherquartett beginnt zu spielen. Gemeinsam treten Vanessa und ich auf den weißen Läufer, biegen am Vorhang scharf rechts ab und schreiten auf den Gang der Bowlingbahn hinaus, wo die Gäste uns sehen können.
Und es sind nicht nur vier. Es sind fast achtzig. Soweit ich sehen kann, ist jeder, den wir heute Morgen angerufen und gewarnt haben, die Fahrt bei diesem Wetter nicht zu riskieren, gekommen, um mit uns zu feiern.
Das ist das Erste, was mir auffällt. Das Zweite ist die Tatsache, dass die AMC Bowlingbahn – der einzige Ort, den Joel so kurzfristig hat mieten können – nicht mehr wie eine Bowlingbahn aussieht. Mit Lilien geschmückte Girlanden zieren die Seiten der Bahn, die uns als Kirchenschiff dient und die wir nun hinunterschreiten. Die automatische Ballausgabe ist mit weißer Seide abgedeckt, und darauf stehen gerahmte Bilder meines Vaters und von Vanessas Eltern. Die Flipperautomaten sind mit Samt bedeckt und dienen als Tisch für die Hors d’œuvres. Und auf dem Billardtisch steht ein Champagnerbrunnen.
»Wahrlich eine typische Lesbenhochzeit«, flüstert Vanessa mir zu. »Wer sonst würde an einem Ort heiraten, wo sonst nur Kerle rumtoben?«
Wir lachen noch immer, als wir das Ende des improvisierten Kirchenschiffs erreichen. Maggie wartet dort auf uns. Sie trägt eine violette, am Rand mit bunten Perlen bestickte Stola. »Willkommen«, sagt sie, »zum Blizzard des Jahres und zur Hochzeit von Vanessa und Zoe. Ich werde davon absehen, Scherze über ›Glückstreffer‹ zu machen, und Ihnen stattdessen verkünden, dass diese beiden heute hier stehen, um sich einander zu verpflichten, nicht nur für den heutigen Tag, sondern für alle Tage, die noch kommen werden. Wir freuen uns mit ihnen … und für sie.«
Maggies Worte verhallen im
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