Ein Lied für meine Tochter
Zentimeter von mir weg. »Ich, äh … Mir war nicht klar, dass das so … so real ist.«
»Real?«
»So ernst, mein ich. Ich dachte, dass sei nur so eine Laune von dir, die schon wieder vergeht.«
»Du meinst, so wie es auch nur eine ›Laune‹ war, wenn du getrunken hast?« Die Worte haben kaum meinen Mund verlassen, da bereue ich sie auch schon. Schließlich bin ich gekommen, um Max auf meine Seite zu ziehen, und nicht, um ihn zu verärgern. »Tut mir leid. Das war unangebracht.«
Max sieht aus, als müsse er sich gleich übergeben. »Ich bin froh, dass du mir das persönlich gesagt hast. Es wäre schlimm gewesen, das von Dritten zu erfahren.«
Einen Augenblick lang tut er mir fast leid. Ich kann mir gut vorstellen, was er von seinen neuen Kirchenfreunden wegen mir zu hören bekommen wird. »Und da ist noch etwas«, sage ich und schlucke. »Vanessa und ich wollen eine Familie gründen. Vanessa ist jung und gesund, und es gibt keinen Grund, warum sie kein Baby bekommen sollte.«
»Also mir fällt da auf Anhieb ein ziemlich gewichtiger Grund ein«, erwidert Max.
»Und genau deshalb bin ich hier.« Ich atme tief durch. »Es würde uns viel bedeuten, wenn das Baby, das Vanessa bekommt, biologisch mir gehören würde. Und da sind noch drei Embryonen aus der Zeit, als wir beide es versucht haben. Ich hätte gerne deine Erlaubnis, dass wir sie benutzen dürfen.«
Max reißt den Kopf hoch. »Was?«
»Ich weiß, das ist ein wenig viel auf einmal …«
»Ich habe dir doch gesagt, dass ich kein Vater sein will …«
»Das verlange ich doch auch gar nicht von dir. Du bist zu nichts verpflichtet, Max. Wir werden alles unterschreiben, um dir das zu garantieren. Wir erwarten nicht von dir, dass du das Kind in irgendeiner Weise unterstützt – nicht mit Geld, nicht mit deinem Namen, nichts. Du wirst dem Baby gegenüber keinerlei Pflichten oder Verantwortung haben, sollten wir das Glück haben, eins zu bekommen.« Ich schaue ihm in die Augen. »Diese Embryonen … sie existieren bereits. Sie warten nur. Aber wie lange noch? Fünf Jahre? Zehn? Fünfzehn? Wir wollen sie beide nicht zerstören, und du hast ja schon erklärt, dass du keine Kinder willst. Ich aber schon. Ich will sie so sehr, dass es schmerzt.«
»Zoe …«
»Das ist meine letzte Chance. Ich bin zu alt, um mir noch einmal Eizellen entnehmen und von einem anonymen Samenspender befruchten zu lassen.« Mit zitternder Hand hole ich das Klinikformular aus der Tasche. »Bitte, Max. Ich flehe dich an.«
Er nimmt das Papier, schaut es aber nicht an, ebenso wenig wie mich. »Ich … Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
Doch das tust du , denke ich. Du willst nur nicht.
»Wirst du wenigstens darüber nachdenken?«, frage ich.
Max nickt, und ich stehe auf. »Ich weiß das wirklich zu schätzen, Max. Ich weiß, dass es nicht das ist, was du erwartet hast.« Ich trete einen Schritt zurück. »Ich, äh, ich rufe dich an … oder du mich.«
Wieder nickt Max. Dann faltet er das Papier und steckt es sich in die Gesäßtasche. Ich frage mich, ob er sich das Formular überhaupt durchlesen wird, oder ob er es einfach zerreißt und die Schnipsel im Dreck verscharrt.
Ich mache mich auf den Weg zurück zur Straße, wo ich meinen Wagen geparkt habe, doch dann hält Max’ Stimme mich noch einmal zurück. »Zoe«, ruft er mir hinterher. »Ich bete immer noch für dich, weißt du?«
Ich drehe mich zu ihm um. »Ich brauche deine Gebete nicht, Max«, erwidere ich. »Ich brauche nur deine Einwilligung.«
Max
Manchmal macht Gott mich einfach nur wütend.
Ich gebe gerne zu, dass ich nicht immer der Hellste bin, und mit Sicherheit kann ich mir nicht anmaßen, Gottes Plan zu durchschauen, aber es gibt Situationen, da vermag ich noch nicht einmal ansatzweise einen Sinn hinter seinem Handeln zu erkennen.
Zum Beispiel, wenn ich höre, dass ein Haufen Schulkinder bei einem Amoklauf getötet worden ist.
Oder wenn ein Hurrikan eine ganze Gemeinde auslöscht.
Oder wenn bei Alison Gerhart, ein süßes Mädel Mitte zwanzig, das auf die Bob Jones University gegangen ist, Sopran im Kirchenchor gesungen und nie eine Zigarette angerührt hat, Lungenkrebs diagnostiziert wird und sie nach einem Monat stirbt.
Oder wenn Ed Emmerly, ein Diakon in der Eternal Glory Church, just in dem Augenblick seinen Job verliert, als sein Sohn eine teure Operation benötigt.
Seit Zoes unerwartetem Besuch habe ich Gott immer wieder gebeten, mir den rechten Weg zu weisen, doch das ist nicht
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