Ein Lied für meine Tochter
Snare (einem umgedrehten Topf), und die Metalltür des Regals unter der Arbeitsplatte wird uns als Bassdrum dienen. »Und jetzt werden wir Schlagzeug spielen«, verkünde ich.
Lucy schaut zu den anderen Kindern in der Cafeteria. Einige von ihnen beobachten uns, die meisten ignorieren uns jedoch. »Oder auch nicht«, sagt sie.
»Lucy, wolltest du nun aus diesem furchtbaren Behindertenklassenzimmer raus oder nicht? Und jetzt komm her, und hör auf, mit mir zu diskutieren.«
Zu meiner Überraschung tut sie tatsächlich, was ich sage. »Die Tür da unten ist die Bassdrum. Im Viervierteltakt. Tritt mit deinem linken Fuß, denn du bist Linkshänder.« Ich mache es ihr vor. »Und jetzt du.«
»Das ist wirklich dämlich«, sagt Lucy, tritt aber zögernd gegen das Metall der Tür.
»Großartig«, lobe ich sie. »Und jetzt die Snare mit der rechten Hand.« Ich gebe ihr einen Metalllöffel und deute auf den umgedrehten Topf. »Darauf schlägst du auf Zwei und Vier.«
»Meinen Sie das ernst?«, fragt Lucy.
Als Antwort spiele ich die nächsten Töne auf dem High Hat: eins-und-zwei-und-drei-und-vier. Lucy behält den Rhythmus bei und kopiert mich mit der linken Hand. »Hör nicht auf«, sage ich zu ihr. »Das ist ein ganz grundlegender Schlagzeugrhythmus.« Ich schnappe mir zwei hölzerne Pfannenwender und spiele ein Trommelsolo.
Inzwischen schaut uns die gesamte Cafeteria zu. Ein paar Schüler grooven sogar mit.
Lucy bemerkt das alles nicht. Sie gibt sich ganz dem Rhythmus hin, der ihr durch den Körper geht. Ich beginne Love Is a Battlefield zu singen, und die Worte klingen rau wie Flaggen im Wind. Lucy kann den Blick nicht von mir abwenden. Ich singe den ersten Refrain, und beim zweiten stimmt sie ein.
Keine Versprechen. Keine Forderungen.
Lucy grinst wie verrückt, und ich denke im Stillen, dass dieser Durchbruch sicherlich Eingang in die Annalen der Musiktherapie finden wird … und dann kommt der Direktor in die Cafeteria, flankiert von der Köchin auf der einen und Vanessa auf der anderen Seite.
Und meine Frau sieht nicht gerade glücklich aus, wie ich hinzufügen möchte.
Ich höre auf zu singen und schlage auch nicht mehr auf die Töpfe ein.
»Zoe«, sagt Vanessa, »was zum Teufel machst du da?«
»Meinen Job.« Ich nehme Lucys Hand und ziehe sie um den Tresen herum. Sie fühlt sich auf frischer Tat ertappt und ist wie erstarrt. Ich drücke dem Direktor den Pfannenheber in die Hand, mit dem ich getrommelt habe, und dränge mich wortlos an ihm vorbei, sodass Lucy und ich schließlich den Schülern gegenüberstehen. »Danke, Wilmington High!«, brülle ich. »Peace out!«
Ohne ein weiteres Wort – und während sich die Blicke des Direktors und die von Vanessa in meinen Rücken bohren – verlassen Lucy und ich unter Applaus die Cafeteria und lassen uns von den Schülern abklatschen. »Zoe«, sagt sie.
Ich zerre sie durch unvertraute Schulflure. Ich will einfach nur so weit wie möglich weg von der Verwaltung.
»Zoe …«
»Die werden mich feuern«, murmele ich.
»Zoe«, sagt Lucy. »Stopp!«
Mit einem Seufzen drehe ich mich zu ihr um, um mich bei ihr zu entschuldigen. »Ich hätte dich nicht dorthin mitnehmen dürfen.«
Doch dann sehe ich, dass sie nicht vor Scham rot geworden ist, sondern vor Aufregung. Ihre Augen funkeln, und ihr Lächeln ist ansteckend. »Zoe«, keucht sie, »können wir das noch mal machen?«
Obwohl Wanda mich vorgewarnt hat, erschrecke ich, als ich die Tür zu Mr. Dockers Zimmer in Shady Acres öffne und ihn zusammengesunken und ausgemergelt auf dem Bett liegen sehe. Selbst wenn er katatonisch war, konnte man ihn in der Vergangenheit immer noch in den Schaukelstuhl setzen oder in den Gemeinschaftsraum bringen, doch Wanda zufolge hat er in den zwei Wochen, in denen ich nicht mehr hier war, das Bett nicht verlassen. Und er hat auch nicht gesprochen.
»Guten Morgen, Mr. Docker«, sage ich und hole meine Gitarre aus dem Koffer. »Erinnern Sie sich noch an mich? Zoe? Ich bin hier, um mit Ihnen zu musizieren.«
Ich habe das auch früher schon bei einigen meiner Patienten gesehen, besonders bei jenen im Hospiz. Am Ende seines Lebens steht der Mensch an einer Klippe. Die meisten von uns schauen über den Rand und halten sich fest. Deshalb ist es auch so gut zu sehen, wenn jemand sich entschließt loszulassen. Dann scheint der Körper fast durchsichtig zu werden, und der Blick ist auf etwas gerichtet, das wir anderen nicht sehen können.
Ich zupfe an den Saiten und summe ein
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