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Ein Lied für meine Tochter

Ein Lied für meine Tochter

Titel: Ein Lied für meine Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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wahr?«
    »Natürlich habe ich das …«
    »Du hast Gott gebeten, sie mit einem Kind zu segnen.« Ich nicke. »Nun, Max … Wenn Gott eine Tür schließt, dann nur, weil er ein Fenster geöffnet hat.«
    Nur einmal habe ich bisher einen solchen Augenblick der Erleuchtung erlebt, und zwar, als Pastor Clive mich im Krankenhaus besucht und mir geholfen hat, Jesus nahezukommen, so nahe, dass ich fast geglaubt habe, ihn berühren zu können. Und nun erkenne ich, dass es Gottes Wille war, dass Zoe heute zu mir gekommen ist. Wenn ich schon nicht in der Lage bin, dieses Kind großzuziehen, so werde ich doch wissen, dass mein eigen Fleisch und Blut das übernimmt.
    Dieses Kind ist Teil meiner Familie, und da gehört es auch hin.
    »Es gibt da etwas, worüber ich mit euch reden muss«, sage ich, als Reid mir beim Abendessen die Kartoffeln reicht. »Ich will euch etwas geben.«
    Reid schüttelt den Kopf. »Max, ich habe es dir doch schon gesagt: Du schuldest uns gar nichts.«
    »Doch das tue ich. Ich schulde euch mein Leben, aber das ist es nicht, worüber ich mit euch reden will«, sage ich.
    Ich drehe mich zu Liddy um. Auch Wochen nach ihrer Fehlgeburt sieht sie noch wie ein Geist aus. Erst gestern habe ich sie in der Garage gefunden. Sie hat einfach nur im Auto gesessen und durch die Windschutzscheibe auf ein Werkzeugregal gestarrt. Ich habe sie gefragt, wo sie hin wolle, und sie hat sich so erschrocken, dass sie fast aus dem Sitz gesprungen wäre. Ich weiß nicht , hatte sie gesagt und an sich heruntergeschaut, als frage sie sich, wie sie dorthin gekommen sei.
    »Du kannst kein Kind bekommen«, erkläre ich.
    Liddy treten die Tränen in die Augen, und Reid mischt sich sofort ein. »Doch, das können und das werden wir. Wir werden ein Kind bekommen. Wir haben nur geglaubt, es würde geschehen, wenn wir es wollen, nicht wenn Gott es will. Das stimmt doch, Liebling, oder?«
    »Und ich habe ein Baby, das ich nicht zur Welt bringen kann«, fahre ich fort. »Als Zoe und ich geschieden worden sind, hatten wir noch drei Embryonen in der Klinik. Sie sind nach wie vor dort eingefroren. Zoe will sie benutzen. Aber ich denke … Ich denke, sie sollten euch gehören.«
    »Was?« Liddy schnappt nach Luft.
    »Ich bin als Vater ungeeignet. Ich kann mich ja kaum um mich selbst kümmern, geschweige denn um ein Kind. Aber ihr … Ihr habt es verdient, eine Familie zu haben. Ich kann mir kein besseres Leben für ein Kind vorstellen als hier bei euch.« Ich zögere. »Schließlich habe ich es ja selbst erlebt.«
    Reid schüttelt den Kopf. »Nein. In fünf Jahren oder so wirst du wieder auf eigenen Füßen stehen. Vielleicht wirst du sogar wieder heiraten …«
    »Es ist ja nicht so, als würdet ihr mir das Kind wegnehmen«, sage ich. »Ich wäre immer noch Onkel Max. Ich könnte noch immer mit ihm surfen gehen und ihm das Autofahren beibringen.«
    »Max, das ist verrückt …«
    »Nein, das ist es nicht. Ihr habt doch schon über eine Adoption nachgedacht«, widerspreche ich. »Ich habe die Broschüren in der Küche gesehen. Das ist nichts anderes. Pastor Clive hat gesagt, Embryonen würden ständig adoptiert. Und dieser Embryo wäre sogar mit euch verwandt.«
    Ich sehe, wie mein Bruder sich langsam mit dem Gedanken anfreundet. Wir schauen beide zu Liddy.
    Ich muss zugeben, ganz selbstlos ist mein Angebot nicht. Eine Frau wie Liddy – hübsch, klug und fromm – ist der Traum eines jeden Mannes … ein Traum, der sich für mich wohl nie erfüllen wird. In all den Jahren hat sie immer zu mir gehalten, auch wenn Reid manchmal sauer auf mich war, weil ich mein Potenzial nicht abrufen konnte und mein Leben ruiniert habe. Wenn Liddy nach der Transplantation des Embryos schwanger werden sollte, dann wird es natürlich ihr Kind sein – ihres und Reids; doch ich muss zugeben, mir gefällt die Vorstellung, dass ich es sein werde, der sie wieder zum Lächeln bringt.
    Gott weiß, dass mir das bei meiner eigenen Frau nicht gelungen ist.
    Liddy sieht jedoch nicht glücklich aus, im Gegenteil: Sie wirkt verstört. »Was, wenn ich auch dieses Kind verliere?«
    Das ist natürlich möglich. Die Gefahr ist bei einer künstlichen Befruchtung sogar besonders hoch. Aber es gibt nie eine Garantie im Leben – Punkt. Ein Kind, das vollkommen gesund geboren worden ist, muss nur einmal falsch liegen und erstickt. Ein Triathlet kann einfach tot umfallen, weil ihm nicht bewusst war, dass er einen Herzfehler hat. Das Mädchen, von dem du glaubst, dass du es

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