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Ein Lied für meine Tochter

Ein Lied für meine Tochter

Titel: Ein Lied für meine Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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nur eine Frage von Schwarz und Weiß. In einem Punkt stimmen Zoe und ich überein: Für uns sind diese eingefrorenen Embryonen nicht nur seelenlose Zellhaufen, es sind potenzielle Kinder. Auch wenn wir beide das aus unterschiedlichen Gründen glauben – ich aus religiösen, sie aus persönlichen –, so sind wir uns doch einig darin, dass diese Embryonen nicht einfach weggeworfen werden dürfen. Ich habe das Unvermeidliche aufgeschoben, indem ich eingewilligt habe, sie weiter eingefroren zu lassen, und nun will Zoe ihnen die Chance geben zu leben.
    Selbst Pastor Clive würde sich in diesem Punkt auf ihre Seite schlagen.
    Aber vermutlich würde er auch an die Decke gehen, wenn ich ihm erzähle, dass dieses zukünftige Kind sein Leben mit zwei lesbischen Müttern verbringen wird.
    Andererseits erinnert mich Gott daran, dass ich ein potenzielles Leben nicht zerstören darf. Aber was ist das für ein Leben, wenn ein unschuldiges Kind in einem homosexuellen Haus aufwachsen muss? Ich meine, ich habe die Literatur gelesen, die Pastor Clive mir gegeben hat, und mir ist klar, dass Homosexualität nicht biologisch, sondern soziologisch bedingt ist. Sie wissen doch, wie Homosexuelle sich fortpflanzen, nicht wahr? Da sie es nicht auf biblische Art können, müssen sie rekrutieren. Deshalb kämpft die Eternal Glory Church ja auch so vehement gegen homosexuelle Lehrer an unseren Schulen. Schließlich können die armen Kinder sich ja nicht selbst vor der Verderbnis schützen.
    »Hallo, Max«, höre ich und sehe Pastor Clive vom Parkplatz kommen, in der Hand hält er einen Karton mit Gebäck. Pastor Clive trinkt und raucht nicht, aber er hat eine Schwäche für Süßigkeiten. »Wie wäre es mit einer kleinen Kalorienbombe vom Federal Hill?«, bietet er mir an.
    »Nein, danke.« Die Sonne steht direkt hinter ihm und verleiht ihm einen Heiligenschein. »Pastor Clive, hätten Sie kurz Zeit für mich?«
    »Sicher. Komm rein«, sagt er.
    Ich folge ihm an der Gemeindesekretärin vorbei, die mir ein Bonbon aus dem Glas auf ihrem Schreibtisch anbietet, in sein Büro. Pastor Clive öffnet den Karton mit einem Jagdmesser, das er immer am Gürtel trägt, und holt den Inhalt heraus. »Kann ich dich immer noch nicht in Versuchung führen?«, fragt er, und als ich den Kopf schüttele, leckt er die Sahne von einem Stück Gebäck. »Dank solcher Genüsse«, sagt er mit vollem Mund, »weiß ich, dass es einen Gott gibt.«
    »Aber Gott hat diese Sachen nicht gebacken. Das war Big Mike unten bei den Gebrüdern Scialo.«
    »Und Gott hat Big Mike erschaffen. Das ist alles eine Frage der Perspektive.« Pastor Clive wischt sich den Mund mit einer Serviette ab. »Was hast du auf dem Herzen, Max?«
    »Meine geschiedene Frau hat mir gerade erzählt, dass sie eine Frau geheiratet hat und dass sie ein Baby von unseren Embryonen will.« Ich möchte mir den Mund ausspülen. Scham schmeckt bitter.
    Pastor Clive legt das Gebäck beiseite. »Ich verstehe«, sagt er.
    »Ich habe gebetet. Ich weiß, dass das Kind es verdient zu leben. Aber nicht … nicht so.« Ich starre zu Boden. »Vielleicht gelingt es mir ja nicht zu verhindern, dass meine Frau am Tag des Jüngsten Gerichts in die Hölle fährt, aber ich werde nicht zulassen, dass sie mein Kind mit in den Abgrund reißt.«
    »Dein Kind«, wiederholt Pastor Clive. »Max, verstehst du nicht? Du hast es doch selbst gesagt. Es ist dein Kind. Vielleicht will dir Jesus auf diese Art ja sagen, dass es an der Zeit für dich ist, die Verantwortung für diese Embryonen zu übernehmen, damit sie nicht in die Hände deiner Exfrau fallen.«
    »Pastor Clive«, sage ich, und ich bin einer Panik nahe, »ich bin einfach nicht zum Vater geboren. Schauen Sie mich doch nur mal an. Ich bin noch … noch unfertig.«
    »Wir sind alle unfertig«, erwidert Pastor Clive. »Aber die Verantwortung für das Leben dieses Kindes zu übernehmen, muss nicht unbedingt bedeuten, was du glaubst. Was wünschst du dir am meisten für dieses Kind?«
    »Dass es bei einer Mom und einem Dad aufwächst, die es lieben, nehme ich an. Und die ihm alles geben können, was es braucht …«
    »… und die gute Christen sind«, fügt Pastor Clive hinzu.
    »Nun, ja.« Ich schaue ihn an. »Ein Paar wie Reid und Liddy.«
    Pastor Clive kommt um seinen Schreibtisch herum und setzt sich auf die Kante. »Ein Paar, das jahrelang versucht hat, mit einem eigenen Kind gesegnet zu werden. Du hast doch für deinen Bruder und deine Schwägerin gebetet, nicht

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