Ein Lied für meine Tochter
jetzt, nur damit ich es recht verstehe …«
Hinter mir höre ich Vanessa schnauben.
»… Sie wollen die Embryonen.« Er deutet auf Zoe. »Und Sie wollen sie«, sagt er und deutet auf mich und dann auf Reid und Liddy, »und Sie wollen sie auch noch, ja?«
»Genau genommen, Euer Ehren«, sagt Zoes Anwältin, »will Max Baxter die Embryonen gar nicht. Er will sie weggeben.«
Wade steht auf. »Im Gegenteil, Euer Ehren: Max will, dass diese Kinder in einer traditionellen Familie aufwachsen und nicht in einer sexuell abartigen.«
»Ein Mann, der seine Embryonen haben will, um sie jemand anderem zu geben«, fasst der Richter zusammen. »Wollen Sie mir etwa sagen, das sei traditionell? Also, da, wo ich herkomme, sieht man das anders.«
»Wenn ich darf, Euer Ehren«, meldet sich wieder Zoes Anwältin zu Wort, »der Fall ist ein wenig kompliziert. Soweit ich weiß, ist das ein völlig neues Rechtsproblem, das in Rhode Island nie geregelt worden ist. Heute sind wir jedoch nur hier, um über den Antrag zu entscheiden, Reid und Liddy Baxter als Nebenkläger zuzulassen, und dagegen möchte ich vehement Einspruch erheben. Ich habe heute bereits ein Memo eingereicht, indem ich erkläre, dass, sollten diese beiden potenziellen Eltern zugelassen werden, auch Vanessa Shaw den Anspruch hat, als Partei am Prozess teilzunehmen. Einen dahingehenden Antrag werde ich gegebenenfalls sofort stellen, und …«
»Einspruch, Euer Ehren«, ruft Wade. »Sie haben bereits erklärt, dass die beiden vor dem Gesetz nicht verheiratet sind, und jetzt fängt Miss Moretti wieder von vorne damit an.«
Der Richter starrt ihn an. »Mr. Preston, wenn Sie Miss Moretti noch einmal unterbrechen, werde ich Sie wegen Missachtung des Gerichts verwarnen. Das hier ist keine Fernsehshow, und Sie sind nicht Pat Robertson. Das hier ist mein Gericht, und ich werde Sie keinen Zirkus daraus machen lassen. Nach diesem Fall gehe ich in den Ruhestand, und Gott helfe mir, ich werde das hier nicht zu einer religiösen Rauferei entarten lassen.« Er schlägt mit dem Hammer auf die Richterbank. »Der Antrag auf Zulassung von Reid und Liddy Baxter ist hiermit abgelehnt. Dieser Fall wird zwischen Max und Zoe Baxter entschieden, und zwar der Prozessordnung gemäß. Sie, Mr. Benjamin, können gerne als Zeugen aufrufen, wen Sie wollen, aber eine Nebenklage lasse ich nicht zu. Nicht Reid und Liddy Baxter«, sagt er und dreht sich dann zu der Anwältin um, »und auch nicht Vanessa Shaw. Also vergessen Sie derartige Anträge lieber gleich.«
Schließlich wendet er sich an Wade. »Und Mr. Preston … Ich möchte Ihnen einen gut gemeinten Rat geben: Denken Sie sorgfältig darüber nach, wie Sie hier auftreten wollen. Ich werde nämlich nicht zulassen, dass Sie den Fall hier übernehmen. In diesem Saal habe ich das Sagen.«
Er steht auf, verlässt die Richterbank, und wir springen ebenfalls auf. Vor Gericht ist es nicht viel anders als in der Kirche. Man steht auf, setzt sich und schaut nach vorne in der Hoffnung auf Führung.
Zoes Anwältin kommt an unseren Tisch. »Angela«, sagt Wade, »ich wünschte, ich könnte sagen, es ist schön, dich zu sehen, aber Lügen ist eine Sünde.«
»Tut mir leid, dass es nicht so gelaufen ist, wie du gehofft hast«, erwidert sie.
»Och, es lief ganz gut. Vielen Dank.«
»Vielleicht glaubt man das ja in Louisiana«, sagt die Anwältin, »aber glaub mir, hier hast du gerade einen Tritt in den Arsch bekommen.«
Wade stützt sich auf die Bücher, die seine Assistentin hereingebracht hat. »Wir werden die wahren Farben des Richters schon noch zu sehen bekommen, Schätzchen«, sagt er. »Und glaub mir … Es sind nicht die des Regenbogens.«
Zoe
Lucy zeichnet eine Meerjungfrau: das lange lockige Haar und den Fischschwanz, der sich in eine Ecke des Briefpapiers schmiegt. Als ich mit dem Song Angel fertig bin, stelle ich die Gitarre beiseite, doch Lucy malt weiter: eine Schleife aus Seetang, die Reflexion der Sonne … »Du bist sehr talentiert«, bemerke ich.
Sie zuckt mit den Schultern. »Ich entwerfe meine eigenen Tattoos.«
»Hast du welche?«
»Wenn ich welche hätte, dann würde ich aus dem Haus geworfen«, antwortet Lucy. »Ein Jahr, sechs Monate und vier Tage.«
»Bekommst du dann dein Tattoo?«
Sie schaut mich an. »Dann werde ich achtzehn.«
Nach unserer Drumsession hatte ich mir geschworen, Lucy nie wieder dazu zu zwingen, sich mit mir im Behindertenklassenzimmer zu treffen. Stattdessen verrät Vanessa mir, welche
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