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Ein Lied für meine Tochter

Ein Lied für meine Tochter

Titel: Ein Lied für meine Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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fühlen, um sicherzugehen, dass ich noch hier bin.«
    Musiktherapie ist ein hybrider Beruf. Manchmal bin ich die Entertainerin, manchmal die Heilerin. Manchmal bin ich Psychologin und manchmal nur eine Vertraute. Die Kunst bei meinem Job liegt darin zu wissen, wann man was sein muss. »Vielleicht könntest du dich ja auch auf andere Art dazu bringen, etwas zu empfinden«, sage ich.
    »Und wie zum Beispiel.«
    »Du könntest Musik schreiben«, schlage ich vor. »Viele Musiker können nur durch ihre Musik ausdrücken, was sie gerade durchmachen.«
    »Ich kann ja noch nicht einmal das Kazoo spielen.«
    »Das könnte ich dir beibringen. Und es muss auch nicht das Kazoo sein. Du könntest auch Gitarre lernen, Schlagzeug, Klavier, was immer du willst.«
    Lucy schüttelt den Kopf. Sie zieht sich schon wieder zurück. »Spielen wir lieber russisches Roulette«, sagt sie und schnappt sich meinen iPod. »Lassen Sie uns Bilder zum nächsten Song malen, der per Zufall kommt.« Sie schiebt mir das Bild der Meerjungfrau zu und nimmt sich ein frisches Blatt Papier.
    Was kommt, ist Rudolph, the Red-Nosed-Reindeer .
    Wir schauen einander an und brechen in lautes Lachen aus. »Ernsthaft?«, fragt Lucy. »Das haben Sie in Ihrer Playlist?«
    »Ich arbeite auch mit kleinen Kindern. Das ist einer ihrer Lieblingssongs.«
    Lucy beugt sich über das Papier und beginnt zu zeichnen. »Jedes Jahr schauen meine Schwestern sich das im Fernsehen an. Und jedes Jahr macht mir das eine Heidenangst.«
    »Rudolph jagt dir Angst ein?«
    »Nicht Rudolph, sondern der Ort, zu dem er geht.«
    Sie zeichnet einen Zug mit eckigen Rädern und einen gefleckten Elefanten. »Die Insel der Nichtsnutz-Toys?«, hake ich nach.
    »Ja«, bestätigt Lucy und schaut mich wieder an. »Die sind echt furchterregend.«
    »Ich habe nie verstanden, was so verkehrt an ihnen ist«, gebe ich zu. »Nehmen wir zum Beispiel Charlie-in-the-Box … Na und? Kitzel-Mich-Elmo wäre auch ein Hit geworden, wenn man ihn Kitzel-Mich-Gertrude genannt hätte. Und ich habe mir immer gedacht, die Wasserpistole, die Gelee statt Wasser schießt, hätte auch der nächste Transformer sein können.«
    »Was ist mit dem gefleckten Elefanten?«, fragt Lucy, und der Hauch eines Lächelns erscheint auf ihrem Gesicht. »Was für ein Freak.«
    »Im Gegenteil … Ihn auf die Insel zu verbannen, war eine offen rassistische Aktion. Seine Mutter könnte ja einfach eine Affäre mit einem Geparden gehabt haben.«
    »Die Puppe ist das Unheimlichste …«
    »Warum?«
    »Sie ist depressiv«, erklärt Lucy, »weil kein Kind sie haben will.«
    »Wird das wirklich irgendwann gesagt?«
    »Nein, aber was sollte sonst ihr Problem sein?« Plötzlich grinst Lucy. »Es sei denn, sie ist ein er…«
    »Ein Transvestit«, sagen wir beide gleichzeitig.
    Und wir lachen. Dann beugt Lucy sich wieder über ihr Kunstwerk. Schweigend malt sie noch eine Weile und fügt dem missverstandenen Elefanten weitere Flecken hinzu. »Vermutlich würde ich perfekt auf diese dämliche Insel passen«, bemerkt sie. »Schließlich soll ich unsichtbar sein, aber jeder kann mich sehen.«
    »Vielleicht sollst du ja gar nicht unsichtbar sein. Vielleicht sollst du nur anders sein.«
    Während ich diese Worte sage, denke ich an Angela Moretti, an Vanessa und an die eingefrorenen Embryonen. Ich denke an Wade Preston mit seinem maßgeschneiderten Anzug und dem pomadigen Haar und wie er mich anschaut, als sei ich ein Monstrum, ein Verbrechen an der Spezies Mensch.
    Wenn ich mich richtig entsinne, dann springen all diese Spielzeuge zum Schluss auf den Schlitten des Weihnachtsmanns und werden überall auf der Welt unter den Weihnachtsbäumen verteilt. Wenn das stimmt, dann hoffe ich, dass ich bei Wade Preston lande.
    Ich drehe mich wieder zu Lucy um und sehe, dass sie mich anstarrt. »Es gibt noch eine andere Situation, in der ich etwas fühle«, gesteht sie, »und zwar, wenn ich hier bei Ihnen bin.«
    Nach der Therapiesitzung mit Lucy gehe ich normalerweise in Vanessas Büro, und wir essen gemeinsam in der Cafeteria zu Mittag, aber heute ist sie auf einer College-Messe in Boston, und so gehe ich stattdessen direkt zu meinem Wagen. Auf dem Weg dorthin rufe ich meine Mailbox ab. Es gibt eine Nachricht von Vanessa. Sie erzählt mir von einer Angestellten aus Emerson, die mit ihrem orangefarbenen, hochgesteckten Haar aussieht, als sei sie einem Plattencover der B-52s entsprungen, und in einer zweiten Nachricht erklärt sie mir, wie sehr sie mich liebt. Dann

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