Ein Lied für meine Tochter
Herz würde platzen, ist es vorbei.
Eine Welle erhebt sich unter meinem Brett, und ich drehe mich um und sehe, wie sich hinter mir ein Tunnel bildet. Ich richte mich auf, lenke das Brett auf den Kamm und schieße in den Tunnel hinunter. Und dann falle ich, tauche unter Wasser und weiß nicht mehr, was oben und was unten ist.
Ich durchbreche die Oberfläche, und meine Lunge brennt. Das Haar klebt mir am Kopf, und meine Ohren pochen vor Kälte. Das verstehe ich. Darin bin ich gut.
Ganz bewusst bleibe ich bis weit nach Sonnenuntergang weg. Ich wickele mich in eine Decke, setze mich auf die Felsen und schaue zu, wie der Mond auf den Wellen reitet. Mein Kopf pocht, meine Schulter schmerzt von einem üblen Sturz, und ich habe mindestens eine Gallone Wasser geschluckt. Ich kann noch nicht einmal ansatzweise beschreiben, wie durstig ich bin. Ich würde für ein Bier töten, und ich weiß, wenn ich jetzt zu meinem Truck zurückkehre, dann werde ich direkt in eine Bar fahren und mir dieses Bier besorgen. Also warte ich, bis die meisten Läden geschlossen haben, erst dann traue ich mir zu, wieder nach Hause zu fahren.
In Reids Haus brennt kein Licht mehr, was mich nicht überrascht. Schließlich haben wir drei Uhr morgens, als ich in die Einfahrt einbiege. Ich drehe den Schlüssel im Schloss und lasse die Schuhe auf der Terrasse, damit ich niemanden störe.
Ich schleiche in die Küche, um mir ein Glas Wasser zu holen, und da sehe ich sie wie einen Geist am Küchentisch. Liddys weißes Baumwollnachthemd wabert um ihre Knöchel wie die Wellen draußen auf dem Meer. »Gott sei Dank«, sagt sie. »Wo hast du gesteckt?«
»Ich bin surfen gegangen. Ich musste einen klaren Kopf bekommen.«
»Ich habe versucht, dich anzurufen. Ich habe mir Sorgen gemacht.«
Ich habe die Nachrichten gesehen, die sie mir auf der Mailbox hinterlassen hat. Ich habe sie gelöscht, ohne sie mir anzuhören. Ich musste das tun, auch wenn ich nicht erklären kann warum.
»Ich habe nichts getrunken, falls es das ist, was du denkst«, sage ich.
»Ich weiß. Es ist nur … Ich wollte schon im Krankenhaus anrufen, aber Reid hat gesagt, du seiest ein großer Junge und könntest schon auf dich selbst aufpassen.«
Ich sehe das aufgeschlagene Telefonbuch auf dem Tisch und bekomme ein schlechtes Gewissen. »Ich wollte nicht, dass du aufbleibst. Morgen ist dein großer Tag.«
»Ich kann ohnehin nicht schlafen. Reid hat ein paar Tabletten genommen, und jetzt schnarcht er lauter als eine Band.«
Liddy setzt sich auf den Boden und lehnt sich mit dem Rücken an die Wand. Als sie auf den Platz neben sich deutet, setze ich mich zu ihr. Eine Minute lang schweigen wir einfach und lauschen den Geräuschen der Nacht. »Erinnerst du dich noch an Die Zeitmaschine ?«, fragt Liddy plötzlich.
»Klar.« Den Film haben wir vor ein paar Jahren gesehen. Ein ziemlich kitschiges Teil, das von einem Zeitreisenden handelt, der 800000 Jahre in der Zukunft strandet.
»Würdest du gerne die Zukunft sehen, auch wenn du weißt, dass du sie nicht verändern kannst?«, fragt Liddy.
Ich denke darüber nach. »Ich weiß es nicht. Aber ich denke, das wäre zu schmerzhaft.«
Als Liddy den Kopf an meine Schulter legt, höre ich auf zu atmen, ich schwöre es. »Als ich noch ein kleines Mädchen war, habe ich immer diese Abenteuerbücher gelesen, in denen man am Ende jedes Kapitels einen anderen Pfad einschlagen kann. Und je nachdem, wie man sich entschied, gab es ein anderes Ende.«
Ich kann ihre Seife riechen – Mango und Pfefferminze – und ihr Shampoo, das ich manchmal aus ihrem Badezimmer klaue, um es selbst zu benutzen.
»Ich habe immer bis ganz nach hinten geblättert, mir alle möglichen Enden durchgelesen und mir das Ende ausgesucht, das mir am besten gefiel … und dann habe ich versucht herauszufinden, wie man dahin kommt.« Sie lacht leise. »Es hat nie funktioniert. Es ist nie so gelaufen, wie ich wollte.«
Als Liddy zum ersten Mal Schnee gesehen hat, da war ich bei ihr und habe gesehen, wie sie versucht hat, eine Schneeflocke zu fangen. Sieh dir nur das Muster an , hat sie gesagt und sie mir gezeigt. Doch da war sie längst geschmolzen.
»Reid hat mir erzählt, was er heute im Gericht gesagt hat.«
Ich schaue zu Boden. Ich weiß nicht, was ich darauf sagen soll.
»Ich weiß, dass Reid manchmal … Nun, er kann manchmal ein richtiger Ochse sein. Ich weiß, dass er sich so verhält, als gehöre ihm die Welt. Ich weiß das besser als jeder andere mit Ausnahme von
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