Ein Lied für meine Tochter
das neu formulieren«, sagt Angela. »Stimmen Sie mir zu, wenn ich sage, dass Sie sich nichts mehr wünschen, als ein Kind zu bekommen und großzuziehen?«
Liddys Blick, der bis dahin ganz auf Angela Moretti konzentriert war, huscht zu mir. Ich habe das Gefühl, als hätte ich plötzlich Glasscherben im Mund. »Ja, das tue ich«, sagt sie.
»Und stimmen Sie mir auch darin zu, wenn ich sage, dass es furchtbar ist, keine eigenen Kinder bekommen zu können? Herzzerreißend?«
»Ja.«
»Und trotzdem sind Sie bereit, Zoe Baxter genau dieses Schicksal aufzuzwingen, indem Sie ihr die Embryonen wegnehmen?«
Liddy dreht sich zu Zoe um. Ihr treten die Tränen in die Augen. »Ich würde diese Kinder wie meine eigenen großziehen«, flüstert sie.
Bei diesen Worten springt Zoe auf. »Aber sie sind nicht deine«, erwidert sie, zuerst leise, dann lauter. »Sie gehören mir!«
Der Richter schlägt mit dem Hammer auf das Pult. »Miss Moretti, bitte, bringen Sie Ihre Mandantin zur Räson!«
»Lassen Sie sie in Ruhe!«, schreie ich und springe ebenfalls auf. »Sehen Sie denn nicht, wie sehr sie das aufregt?«
Einen Augenblick lang scheint die Welt stillzustehen. Als Zoe sich zu mir umdreht, erscheint der Hauch eines Lächelns auf ihrem Gesicht. Sie ist dankbar, weil sie denkt, meine Worten gelten ihr.
Und dann wird ihr klar, dass das nicht stimmt.
Wenn man fast zehn Jahre lang mit einem Menschen verheiratet ist, lernt man unweigerlich, den Morsecode der Beziehung zu verstehen: Blicke, die sich bei einer Party treffen und sagen, es ist an der Zeit, sich eine Entschuldigung auszudenken und zu gehen. Eine stumme Entschuldigung, wenn man unter der Bettdecke nach der Hand des anderen greift. Und ein Ich liebe dich -Lächeln am frühen Morgen.
Zoe weiß es. Das sehe ich an der Art, wie sie mich anschaut. Sie weiß, was ich getan habe. Sie weiß, dass sie mich verloren hat und vielleicht auch die Embryonen, und das an eine Frau, die sie verabscheut.
Dann ist der Moment der Starre vorbei, und Zoe stürzt sich auf den Zeugenstand. Ein Sheriff packt sie und zwingt sie auf die Knie. Irgendjemand schreit. »Ich will, dass wieder Ruhe im Saal einkehrt, und zwar sofort !«, brüllt Richter O’Neill.
Liddy ist nur noch ein Häufchen Elend. Wade packt mich am Arm. »Halten Sie bloß den Mund, bevor Sie noch alles ruinieren.«
»Zoe«, sagt Angela Moretti und versucht, den Sheriff von ihrer Mandantin wegzuschieben. »Sie müssen sich beruhigen …«
»Die Verhandlung wird unterbrochen!«, brüllt der Richter und stürmt hinaus.
Wade wartet, bis Angela Zoe aus dem Saal gezerrt hat und die meisten Zuschauer in den Flur gegangen sind, um dort zu diskutieren, was sie gerade gesehen haben. Dann schaut er mich vorwurfsvoll an und will wissen: »Was zum Teufel sollte das denn?«
Ich weiß nicht, was ich ihm darauf antworten soll. Ich verstehe es ja selbst kaum.
»Es … Es ist einfach passiert«, bringe ich mühsam hervor.
»Nun, dann sollten Sie besser dafür sorgen, dass das nicht noch einmal passiert – jedenfalls nicht, wenn Sie diesen Prozess gewinnen wollen. Wenn Ihre Ex die Irre spielen will, dann ist das prima für uns. Oder glauben Sie, der Richter schaut sich das an und denkt, was für eine tolle Mutter sie doch wäre? Wenn sie das noch mal macht – und darauf hoffe ich doch stark –, dann bleiben Sie vollkommen ruhig sitzen und werden zum Inbegriff der Gelassenheit. In jedem Fall werden Sie nicht aufstehen und sie verteidigen, um Himmels willen!«
Ich senke den Kopf, damit er die Erleichterung in meinem Gesicht nicht sehen kann.
Ich habe keine Ahnung, wo Wade Genevieve Newkirk gefunden hat. Sie ist eine staatlich lizenzierte klinische Psychologin und hat einen Doktortitel von der UCLA und wiederholt wissenschaftliche Artikel zu Themen wie Ehe, Sexualität und Elternschaft veröffentlicht. Sie war im Radio und im Fernsehen – lokal und national –, und sie ist fürs Web und für Zeitungen interviewt worden. Sie war in über fünfundsiebzig Fällen Sachverständige und hat schon in mehr als vierzig als Expertin ausgesagt. »Dr. Newkirk«, beginnt Wade, nachdem es ihm gelungen ist, sie als Sachverständige zuzulassen, »hatten Sie bei Ihrer Arbeit Gelegenheit zu untersuchen, inwiefern Homosexualität genetisch bedingt ist oder nicht?«
»Hatte ich. Offen gesagt gibt es nicht sehr viele Studien darüber, sodass man sich rasch einen Überblick verschaffen kann.«
»Sind Sie mit den Bailey-Pillard-Studien
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