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Ein Lied für meine Tochter

Ein Lied für meine Tochter

Titel: Ein Lied für meine Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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dir vielleicht. Und ich weiß auch, dass du dich fragst, warum du das alles tust, Max.« Liddy setzt sich auf die Fersen und beugt sich näher zu mir heran, sodass ihr die Haare ins Gesicht fallen. Sie legt mir die Hand auf die Wange, und dann … dann küsst sie mich langsam. »Du tust das für mich«, flüstert sie.
    Ich warte darauf, endlich aus diesem höllischen, diesem wunderbaren Traum aufzuwachen. Sicher werde ich gleich einen Arzt über mir sehen, der mir erklärt, dass ich mir an den Felsen den Schädel angeschlagen und eine schwere Gehirnerschütterung davongetragen habe. Ich greife nach Liddys Hand, bevor sie sie wieder zurückziehen kann. Ihre Haut ist warm und weich.
    Und ich erwidere ihren Kuss. Oh, Gott, ja, ich erwidere ihren Kuss. Ich nehme ihr Gesicht in die Hände und lege alles in diesen Kuss, was ich ihr nie habe sagen dürfen. Ich warte drauf, dass sie mich wegstößt, dass sie mich schlägt, doch in dieser Parallelwelt ist genug Platz für uns beide. Ich packe den Saum ihres Nachthemds und ziehe es hoch, sodass sie ihre Beine um mich schlingen kann. Und ich reiße mir das Hemd herunter, damit sie das Salz von meinen Schultern küssen kann. Ich lege sie auf den Boden. Ich liebe sie.
    Hinterher, als die Wirklichkeit sich wieder bemerkbar macht, spüre ich die harten Fliesen unter meiner Hüfte und Liddys Gewicht auf mir, und ich bekomme eine Scheißpanik.
    Mein ganzes Leben lang habe ich davon geträumt, wie mein Bruder zu sein, und jetzt bin ich das.
    Wie Reid, so will auch ich etwas, das nicht mir gehört.
    Als ich auf dem Küchenboden aufwache, bin ich allein, trage meine Boxershorts, und Reid steht über mir. »Sieh mal einer an, was die Katz gebracht hat«, sagt er. »Ich habe Liddy schon gesagt, dass du neun Leben hast.« Er ist makellos gekleidet, und er hält einen Becher Kaffee in der Hand. »Du solltest jetzt besser unter die Dusche, sonst kommst du zu spät zum Gericht.«
    »Wo ist sie?«
    »Krank«, antwortet Reid. »Offenbar hat sie Fieber. Sie wollte daheim bleiben, aber ich habe sie daran erinnert, dass sie die nächste Zeugin ist.«
    Ich schnappe mir meine Kleider und laufe nach oben. Ich sollte mich bereit machen, wie Reid gesagt hat, doch stattdessen klopfe ich an die geschlossene Tür von Reid und Liddys Schlafzimmer. »Liddy?«, flüstere ich. »Liddy, alles okay mit dir?«
    Die Tür öffnet sich einen Spalt. Liddy trägt einen Bademantel. Sie zieht ihn am Kragen zu, als hätte ich nicht schon gesehen, was sich darunter verbirgt. Ihre Wangen röten sich. »Ich kann jetzt nicht mit dir sprechen.«
    Ich schiebe den Fuß in den Spalt, sodass sie mir die Tür nicht vor der Nase zuschlagen kann. »Es muss nicht so sein. Letzte Nacht warst du …«
    »Eine Sünderin«, unterbricht mich Liddy, und ihr treten die Tränen in die Augen. »Letzte Nacht war ich verheiratet. Ich bin immer noch verheiratet, Max. Und ich will ein Kind.«
    »Wir werden schon einen Weg finden. Wir können dem Gericht doch sagen …«
    »Was? Was willst du dem Gericht sagen? Dass das Kind dorthin gegeben werden sollte, wo die Frau ihren Mann betrügt? Das ist ganz sicher nicht die Definition von einer traditionellen Familie, Max.«
    Den letzten Satz höre ich kaum. »Liebst du mich?«
    Sie senkt den Kopf. »Der Mann, in den ich mich verliebt habe, war bereit, mir das Wertvollste zu geben, was es gibt: sein Kind. Der Mann, in den ich mich verliebt habe, liebt Gott genauso sehr wie ich. Der Mann, in den ich mich verliebt habe, würde nie auch nur daran denken, seinen Bruder zu verletzen. Letzte Nacht ist nie geschehen, Max. Denn wäre es geschehen … dann wärest du nicht mehr dieser Mann.«
    Sie schließt die Tür, und ich bin wie erstarrt. Reids Schritte hallen durch den Flur. Als er mich vor seiner Schlafzimmertür sieht, runzelt er die Stirn und schaut auf seine Uhr. »Bist du immer noch nicht fertig?«
    Ich schlucke. »Nein«, antworte ich, »offenbar nicht.«
    Im Zeugenstand hört Liddy nicht auf zu zittern. Sie schiebt die Hände unter ihre Oberschenkel, doch selbst dann kann ich das Zittern sehen. »Ich habe immer schon davon geredet, dass ich einmal Mutter sein würde«, sagt sie. »In der Highschool haben meine Freundinnen und ich uns Babynamen überlegt. Ich hatte alles geplant, und das schon bevor ich verheiratet war.«
    Als sie verheiratet sagt, bricht ihr die Stimme.
    »Ich habe das perfekte Leben. Reid und ich haben dieses wunderbare Haus, und er verdient viel Geld. Und in der Bibel steht,

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