Ein Lied für meine Tochter
vertraut?«, fragt Wade.
»Ja.« Dr. Newkirk dreht sich zu den Zuschauern um. »In den Jahren 1991 und 1993 haben J. M. Bailey und R. C. Pillard Homosexualität bei Zwillingen untersucht. Sie haben herausgefunden, dass zweiundfünfzig Prozent der eineiigen, männlichen Zwillinge homosexueller Männer ebenfalls homosexuell sind, ebenso wie zweiundzwanzig Prozent der zweieiigen Zwillinge, und elf Prozent der adoptierten Brüder homosexueller Männer sind ebenso homosexuell. Bei Frauen haben sie herausgefunden, dass achtundvierzig Prozent der eineiigen, weiblichen Zwillinge von Lesben ebenfalls lesbisch sind und sechs Prozent der adoptierten Schwestern von Lesben.«
»Und was folgern Sie daraus?«
»Nun, das ist kompliziert. Einige würden argumentieren, dass Homosexualität eine biologische Komponente hat. Allerdings sind Zwillinge, die gemeinsam aufwachsen, denselben Einflüssen ausgesetzt. Für eine schlüssige Studie müsste man Zwillinge untersuchen, die getrennt voneinander aufgewachsen sind – und bei eineiigen Zwillingen, wo das der Fall ist, beträgt die Korrelation null Prozent. Mit anderen Worten: Nur weil ein Zwilling homosexuell ist, gilt das noch lange nicht für den anderen. Außerdem muss man Folgendes bedenken: Wenn die sexuelle Orientierung genetisch bedingt ist, wie soll man dann die achtundvierzig Prozent bei männlichen und die zweiundfünfzig Prozent bei weiblichen Zwillingen erklären, die nicht homosexuell sind?«
»Moment«, sagt Wade. »Wollen Sie mir damit sagen, dass es Zwillinge gibt – Zwillinge, die ja das exakt gleiche Erbgut haben –, bei denen der eine homosexuell ist und der andere nicht?«
»Ja, das gilt für fast die Hälfte von ihnen«, bestätigt Dr. Newkirk. »Das lässt vermuten, dass Homosexualität nicht genetisch bedingt ist. Natürlich könnte es eine genetisch bedingte Neigung geben, aber das ist nicht dasselbe. Viele Menschen sind genetisch anfällig für Depressionen oder Drogenmissbrauch, aber sie führen keinen Lebensstil, der das befördert. Oder anders gesagt: Das Umfeld, in dem ein Kind aufwächst, hat einen gewaltigen Einfluss darauf, ob dieses Kind homosexuell wird oder nicht.«
»Danke, Frau Doktor. Und was ist mit der Untersuchung von Simon LeVay?«
»Dr. LeVay war Neurologe am Salk Institute, und er suchte nach einer neurologischen Basis für Homosexualität, indem er die Gehirne von einundvierzig Menschen untersuchte: von neunzehn homosexuellen Männern, sechzehn heterosexuellen Männern und sechs heterosexuellen Frauen. Er fand eine kleine Gruppe von Neuronen im Hypothalamus – eine Gruppe, von der man glaubte, sie kontrolliere das Sexualverhalten –, die bei homosexuellen Männern kleiner ist als bei heterosexuellen. Außerdem stellte er fest, dass sie ungefähr so groß war wie die bei heterosexuellen Frauen, die, das wusste man schon vorher, halb so groß ist wie die bei heterosexuellen Männern.«
»Und beweist das, dass Homosexualität eine biologische Basis hat?«, fragt Wade.
»Nein. Zunächst einmal gibt es im Bereich des Hypothalamus eine beachtliche Varianz. Bei einigen homosexuellen Männern war diese Hirnregion genauso groß wie bei heterosexuellen und bei einigen heterosexuellen so klein wie bei den homosexuellen. Außerdem war die Kontrollgruppe bei dieser Studie recht klein, und sie ist nie wiederholt worden. Schließlich müssen wir uns noch fragen, ob die Hirnstruktur überhaupt einen Einfluss auf die Sexualität hat – oder ob sie sich dadurch verändert. Ein Beispiel: Eine Studie des National Institute of Health hat gezeigt, dass bei Menschen, die Blindenschrift lesen, jener Teil des Gehirns wächst, der die Finger kontrolliert.«
»Was ist mit Dean Hamers Studie von 1993?«, fragt Wade. »Hat er nicht ein ›schwules Gen‹ gefunden?«
»Nicht wirklich«, antwortet Dr. Newkirk. »Er hat herausgefunden, dass homosexuelle Brüder sich ein Stück des X-Chromosoms teilen – Xq28 – und das signifikant häufiger als heterosexuelle Brüder. Aber auch hier gilt: Die Studie ist nie wiederholt worden.«
»Dann konnte also keiner dieser geschätzten Wissenschaftler beweisen, dass ein Mensch homosexuell geboren wird, korrekt?«
»Ja, das stimmt«, bestätigt die Psychologin. »Mit der Homosexualität verhält es sich definitiv nicht so wie zum Beispiel mit der Hautfarbe – Michael Jackson mal außen vor gelassen. Die sexuelle Orientierung ist nicht nur in der Natur begründet. Da haben Umwelteinflüsse definitiv
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