Ein Lied für meine Tochter
der Armee dienen dürfen oder dass wieder einmal irgendwo ein Gesetz zur Legalisierung der Homo-Ehe abgelehnt worden ist. Wenn Jugendliche eins nicht sind, dann dumm.«
»Wie viele Menschen müssen einem wohl sagen, dass man nicht ganz richtig im Kopf ist, bis man es selber glaubt?«, überlege ich laut.
»Sag du es mir«, erwidert Vanessa. »Du bist der Spätzünder hier, Zoe, aber du bist genauso tapfer wie wir anderen auch. Man könnte sagen, Schwule und Lesben sind wie Kakerlaken: unglaublich zäh.«
Ich lache. »Das wäre wohl Pastor Clives schlimmster Albtraum. Kakerlaken gibt es schon, seit die Dinosaurier die Erde beherrscht haben.«
»Jaja«, sagt Vanessa, »aber dafür müsste Pastor Clive erst einmal an die Evolution glauben.«
Die Erwähnung von Pastor Clive lässt mich an den Spießrutenlauf denken, den wir gestern auf dem Weg ins Gericht hinter uns bringen mussten. Gestern Abend war Wade Preston in der Hannity Show , und als Folge davon werden heute doppelt so viele Medienvertreter bei Gericht sein … und alle werden sie ihre Aufmerksamkeit auf mich richten.
Natürlich bin ich es gewohnt, auf der Bühne zu stehen, schließlich bin ich Musikerin. Aber es gibt einen riesigen Unterschied zwischen einem Publikum, das es gar nicht erwarten kann zu sehen, was als Nächstes kommt, und Zuschauern, die dich keinen Augenblick aus den Augen lassen in der Hoffnung, dass du scheiterst.
Plötzlich ist Pastor Clive gar nicht mehr so komisch.
Ich drehe mich auf die Seite, starre auf den Holzfußboden und frage mich, was wohl passieren würde, wenn ich Angela Moretti anrufen und ihr sagen würde, dass ich die Grippe habe … oder Ausschlag … die Pest …
Vanessa schlingt ihren Körper um mich. »Hör auf zu grübeln«, sagt sie erneut. »Du wirst das schon schaffen.«
Zu den versteckten Kosten eines Gerichtsprozesses gehört der Zeitaufwand. Man muss sein gesamtes Leben umstellen, und das für etwas, das man lieber geheim halten würde. Vielleicht schämt man sich ein wenig, oder vielleicht glaubt man einfach nur, dass das niemanden etwas angeht. Man muss sich extra freinehmen und alles andere auf Eis legen, denn der Prozess hat Vorrang.
So gesehen unterscheidet sich ein Gerichtsverfahren nicht allzu sehr von einer Fruchtbarkeitsbehandlung.
Aus diesem Grund – und weil Vanessa sich genauso viel Zeit nimmt wie ich –, beschließen wir, eine Stunde in der Highschool zu verbringen, bevor wir wieder zum Gericht fahren. Dort kann Vanessa dann ihr Büro aufräumen und ein paar Sachen erledigen, während ich mich mit Lucy treffe.
Oder zumindest glauben wir das, bis wir vom Schulparkplatz kommend um die Ecke biegen und eine Reihe von Demonstranten mit Schildern sehen, auf denen steht:
FÜRCHTET GOTT, NICHT DIE SCHWULEN
DAS JÜNGSTE GERICHT IST NAH
SCHWULE RAUS
HOMORECHTE: DER DIREKTE WEG IN DIE
HÖLLE
Zwei Cops stehen daneben und beobachten die Demonstranten aufmerksam. Und Clive Lincoln steht mitten in diesem Haufen. Er trägt wieder einen seiner typischen weißen Anzüge, diesmal einen Zweireiher. »Wir sind hier, um unsere Kinder zu beschützen!«, bellt er. »Kinder sind die Zukunft unseres großen Landes, und ausgerechnet sie haben sich die Homosexuellen als Opfer ausgesucht! Und diese Homosexuellen sind auch hier! An dieser Schule!«
»Vanessa.« Ich schnappe nach Luft. »Was, wenn er dich bloßstellt?«
»Nach all dem Medienrummel ist das wohl kaum noch nötig«, erwidert Vanessa. »Außerdem wissen es alle, die mir was bedeuten. Und die Leute, die mir egal sind … Nun, die werden sich wohl damit abfinden müssen. Jedenfalls können sie mich nicht feuern, nur weil ich lesbisch bin.« Sie strafft die Schultern. »Und wenn sie es doch machen, würde Angela sie auseinandernehmen.«
Ein Schulbus rollt heran, und als die verwirrten Kinder aussteigen, schreien die Gemeindemitglieder sie an und fuchteln mit den Schildern vor ihnen herum. Ein kleiner, feingliedriger Junge hat die Kapuze seines Hoodies fest um den Kopf gezogen, und als er die Schilder sieht, wird er knallrot.
Vanessa beugt sich zu mir hinüber. »Erinnerst du dich noch daran, was ich dir heute Morgen erzählt habe? Das ist einer der anderen Fünfzehn.«
Der Junge senkt den Kopf und versucht, unsichtbar zu werden.
»Ich werde da jetzt mal eingreifen«, sagt Vanessa. »Bist du okay hier?« Sie wartet nicht auf meine Antwort, sondern drängt sich durch die Menge, bis sie den Jungen erreicht. Dann lenkt sie ihn sanft durch die Wand
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