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Ein Lied für meine Tochter

Ein Lied für meine Tochter

Titel: Ein Lied für meine Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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des Hasses. »Haben Sie nichts Besseres zu tun, als Kinder zu belästigen?«, brüllt sie Pastor Clive an.
    »Besorgen Sie sich lieber einen Mann!«, schreit er zurück.
    Plötzlich ist Vanessas Gesicht genauso rot wie das des Jungen. Dann verschwindet sie in der Schule und konzentriert sich wieder auf das Kind.
    »Homosexuelle unterrichten unsere Kinder, und sie versuchen, sie zu ihrem abartigen Lebensstil zu bekehren«, sagt Pastor Clive. »Was für eine Ironie, dass ausgerechnet die Schulpsychologin in Sünde lebt!«
    Ich packe einen Polizisten am Ärmel. »Das hier ist eine Schule. Sie dürfen doch sicher hier nicht demonstrieren. Können Sie die nicht loswerden?«
    »Nicht, solange sie nicht gewalttätig werden. Das ist die Kehrseite der Demokratie. Dafür können Sie sich bei den Liberalen bedanken. Leute wie die dürfen rumgrölen, wie sie wollen, und Terroristen dürfen in Ihre Nachbarschaft ziehen. Gott segne die USA«, erklärt er spöttisch, schaut mich an und lässt eine Kaugummiblase platzen.
    »Ich habe nichts gegen Homosexuelle«, sagt Pastor Clive, »aber mir gefällt nicht, was sie tun. Homosexuelle haben bereits die gleichen Rechte, und jetzt wollen sie auch noch Sonderrechte. Rechte, die uns langsam, aber sicher unsere Freiheiten nehmen werden. Sodass man mich dort, wo sie gesiegt haben, als ›Hassprediger‹ verhaften kann – und das nur, weil ich meine Meinung sage. In Kanada, in England und in Schweden sind Pastoren, Prediger und sogar Kardinäle und Bischöfe verklagt und verhaftet worden, weil sie gegen die Homosexualität gepredigt haben. Und in Pennsylvania hat man eine evangelikale Gruppe, die wie ihr Schilder getragen hat, wegen Rassenhass verhaftet.«
    Eine weitere Busladung Schüler geht an den Demonstranten vorbei. Einer von ihnen spuckt auf Pastor Clive. »Wichser«, sagt der Junge.
    Pastor Clive wischt sich die Spucke aus dem Gesicht. »Sie haben bereits eine Gehirnwäsche bekommen«, sagt er. »In diesem Schulsystem wird den Kindern bereits im Kindergarten beigebracht, dass es vollkommen normal ist, zwei Mamis zu haben. Wenn Ihr Kind etwas anderes sagt, dann wird es vor den anderen gedemütigt. Aber es hört nicht in der Schule auf. Sie könnten wie Chris Kempling enden, ein kanadischer Lehrer, der suspendiert worden ist, weil er einen Leserbrief an eine Zeitung geschrieben hat, in dem er erklärte, homosexueller Sex fördere Gesundheitsrisiken und in einigen Ländern gelte Homosexualität als amoralisch. Er hat einfach nur über Tatsachen gesprochen, meine Freunde, und trotzdem ist er einen ganzen Monat lang suspendiert worden und musste in dieser Zeit auf sein Gehalt verzichten. Oder Annie Coffey-Montes, eine Angestellte von Bell Atlantic. Sie wurde gefeuert, weil sie beantragt hat, aus dem Mailverteiler der Schwulen und Lesben in ihrer Firma genommen zu werden, in denen diese zu Partys und Tanzabenden einluden. Oder Richard Peterson. Er hat Bibelverse über Homosexualität an die Wände seines Arbeitsbereichs bei Hewlett-Packard geheftet, und schon hatte er seinen Job verloren.«
    Mir wird bewusst, dass Pastor Clive nichts anderes betreibt als Volksverhetzung. Er sammelt die Menschen nicht um sich, er treibt sie mit seiner Paranoia an.
    Es entsteht Unruhe am Rand der Protestkette, und eine Frau stößt mich mit dem Ellbogen an, die ein großes Goldkreuz zwischen den Brüsten trägt.
    »Die Homosexuellen nehmen euch euer Christenrecht, meine Freunde, das Recht, euren Glauben frei auszuüben«, fährt Pastor Clive fort. »Wir müssen jetzt zurückschlagen, bevor wir auch die letzten Freiheiten verlieren, unsere Bürgerrechte, in den Dreck getrampelt von diesen …«
    Plötzlich wird er von einem schwarzen Blitz zu Boden gestreckt. Sofort ziehen ihn drei seiner Schläger im Maßanzug wieder auf die Beine, und gleichzeitig packen die Cops den Angreifer. Als er ihn erkennt, ist Pastor Clive offenbar genauso entsetzt wie ich. »Lucy!«, schreit er. »Was zum Teufel machst du da?«
    Kurz frage ich mich, woher er ihren Namen kennt. Dann erinnere ich mich daran, dass sie in seine Kirche geht.
    Und das offensichtlich unter Zwang.
    Ich dränge mich durch die Menge und stelle mich zwischen Pastor Clive und die Polizisten, die mit übertriebener Härte gegen Lucy vorgegangen sind. Sie haben ihr die Arme auf den Rücken gedreht, dabei wiegt sie noch nicht einmal hundert Pfund. »Ich übernehme das hier«, sage ich und lege so viel Autorität in meine Stimme, dass die Beamten sie

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