Ein Lied für meine Tochter
Strohhalm gegriffen hat, den er finden konnte.
»Ich habe auch geübt. Ich war die ganze Nacht auf und habe meine Chakras sortiert.«
»Und das war auch zu sehen«, erwidere ich, obwohl ich keine Ahnung habe, wovon sie da spricht. Ich schaue Dara an – ihr magnetisches Armband, ihren Medizinbeutel an der Halskette und ihre Heilkristalle. Manchmal frage ich mich, wie Zoe so werden konnte, wie sie ist.
Andererseits könnte man das Gleiche über mich sagen.
»Ich wünschte, meine Mom hätte dich kennengelernt«, flüstere ich Dara zu, obwohl ich in Wahrheit etwas anderes habe sagen wollen: Ich wünschte, meine Mom hätte nur halb so viel Herz gehabt wie du.
Dr. Anne Fourchette, die Leiterin der Kinderwunschklinik, kommt mit einem ganzen Karton voller Akten: Max’ und Zoes Behandlungsakten, die für die Anwälte kopiert worden sind und die ein Gerichtsdiener nun auch dem Gericht übergibt. Ihr silbernes Haar reicht ihr bis zum Kragen ihres schwarzen Anzugs, und an einer Kette um ihren Hals hängt eine Brille mit schwarz-weiß gestreiftem Gestell. »Ich kenne die Baxters seit 2005«, sagt sie. »Damals haben sie zum ersten Mal versucht, ein Kind zu bekommen.«
»Und hat Ihre Klinik sie dabei unterstützt?«, fragt Angela.
»Ja«, antwortet Dr. Fourchette, »wir haben uns um die künstliche Befruchtung gekümmert.«
»Können Sie beschreiben, wie das abläuft, wenn ein Paar zu Ihnen kommt und um eine künstliche Befruchtung bittet?«
»Zunächst einmal untersuchen wir beide Partner eingehend, um den Grund für die Unfruchtbarkeit festzustellen. Ausgehend von den Ergebnissen entwickeln wir anschließend einen Behandlungsplan. Im Falle der Baxters hatten beide Partner Fruchtbarkeitsstörungen. Aus diesem Grund haben wir Max’ Sperma einzeln in Zoes Eizellen injiziert. Zoe musste über Wochen hinweg mit Hormonen behandelt werden, damit bei ihr mehrere Eizellen gleichzeitig heranreifen konnten, die wir dann zu einem bestimmten Zeitpunkt entnommen haben, um sie mit Max’ Sperma zu befruchten. Während des ersten Zyklus reiften bei Zoe zum Beispiel fünfzehn Eizellen heran. Von diesen sind dann acht befruchtet worden. Zwei davon sahen gut genug aus, um eingepflanzt zu werden, und drei weitere schienen dazu geeignet zu sein, sie für einen späteren Zyklus einzufrieren.«
»Was meinen Sie damit, wenn Sie sagen, sie ›sahen gut genug aus‹?«
»Manche Embryonen sehen regelmäßiger aus als andere.«
»Vielleicht spielt ihnen ja jemand schöne Musik vor und erzählt ihnen von Liebe«, murmelt Preston vor sich hin. Ich schaue zu ihm hinüber, doch er ist in die Krankenakte vertieft.
»Wir handhaben es so, dass der Patientin höchstens zwei Embryonen eingepflanzt werden, drei, wenn sie schon älter ist. Schließlich wollen wir keine Mehrlingsgeburten provozieren wie bei der Octo-Mom. Gibt es weitere Embryonen, die gut genug aussehen, dann frieren wir sie für zukünftige Behandlungen ein.«
»Und was machen Sie mit denen, die nicht gut aussehen?«
»Die werden entsorgt«, antwortet die Ärztin.
»Wie?«, fragt Angela.
»Da es sich um medizinischen Abfall handelt, werden sie verbrannt.«
»Was ist während Zoes jüngstem Zyklus passiert?«
Dr. Fourchette spielt an ihrer Brille herum. »Sie ist mit vierzig Jahren schwanger geworden und hat den Fötus bis zur achtundzwanzigsten Woche ausgetragen. Dann hat sie eine Totgeburt gehabt.«
»Waren danach noch Embryonen übrig?«
»Ja, drei. Sie sind eingefroren worden.«
»Und wo sind diese Embryonen jetzt?«
»In meiner Klinik«, antwortet Dr. Fourchette.
»Und die sind noch immer in Ordnung?«
»Das werden wir erst wissen, wenn wir sie auftauen«, erwidert die Ärztin. »Aber es könnte durchaus sein.«
»Wann haben Sie Zoe nach der letzten Behandlung zum letzten Mal gesehen?«, will Angela wissen.
»Sie ist zu uns in die Klinik gekommen und hat um die eingefrorenen Embryonen gebeten. Ich habe ihr erklärt, dass wir ihr die Embryonen ohne das schriftliche Einverständnis ihres geschiedenen Mannes nicht geben können.«
»Danke. Keine weiteren Fragen mehr«, sagt Angela.
Wade Preston klopft mit dem Finger auf den Tisch und mustert die Ärztin aufmerksam, bevor er sich auf sie stürzt. »Dr. Fourchette«, beginnt er, »Sie haben ausgesagt, Embryonen, die ›nicht gut aussehen‹ werden entsorgt. Verbrannt?«
»Das ist korrekt.«
»Verbrannt … hm …« Er steht auf. »Das ist genau das, was wir manchmal mit Verstorbenen tun. Wir kremieren sie.
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