Ein Lord mit besten Absichten
zu richten. Doch so leicht gab Charlotte nicht auf, nicht, wenn die Zukunft ihrer Cousine auf dem Spiel stand.
»Wären Sie so liebenswürdig, uns ein Glas Punsch zu holen, Sir Hugh? Ich fürchte, die Wärme des Abends hat Miss Leigh durstig gemacht, doch sie ist zu schüchtern, um selbst darum zu bitten.«
Sie schenkte ihm ein überaus charmantes Lächeln, das Grübchen in ihre Wangen zauberte, als er flüchtig einen neugierigen Blick auf die nicht minder überraschte Gillian warf. Sobald er gegangen war, um ihrer Bitte nachzukommen, erstarb ihr Lächeln. Und kaum dass er außer Hörweite war, wandte sich Charlotte zu ihrer Cousine und machte sich daran, die blassen Schmutzflecke von Gillians Korsage zu reiben. »Zwick dir in die Wangen, Cousinchen.«
»Wie bitte?«
Charlotte warf einen Blick über Gillians Schulter und sah, wie die beiden Männer herannahten. »Ach, vergiss es, sie sind schon fast da und können dich sehen. Beiß dir auf die Lippen.«
Gillian fragte sich, ob die stickige Luft des Ballsaals den Verstand ihrer Cousine verwirrte. »Macht dir die Hitze zu schaffen, Charlotte? Du wirkst so echauffiert. Bist du etwa krank? Soll ich deine Mutter rufen?«
»Um Himmels willen, nein! Du kennst sie doch – sie würde das Gespräch an sich reißen und nicht mehr aufhören zu plappern.« Charlotte fächelte sich hektisch Luft zu und verzog den Mund zu einem unnatürlich strahlenden Lächeln.
»Welches Gespräch denn?« Allmählich machte Gillian sich Sorgen; obwohl Charlotte von Natur aus eine lebhafte und außergewöhnlich eigensinnige Frau war, hatte sie sich angewöhnt, in der Öffentlichkeit die Rolle der schüchternen, furchtsamen Jungfer zu spielen, um – wie sie es nannte – ihre Chancen zu erhöhen, sich einen Ehemann zu angeln. Aber jetzt lächelte sie mit einer Wildheit, dass einem angst und bange werden konnte.
»Lächeln«, forderte Charlotte ihre Cousine auf, während sie ihre Grübchen noch vertiefte. »Mach ein freundliches Gesicht. Er beobachtet dich. Ich glaube, er hat Interesse an dir.«
Und auf einmal war Gillian alles klar. Davon hatte sie schon mal gehört. Offensichtlich litt ihre Cousine an einer vorübergehenden Geistesgestörtheit. Sie legte einen Arm um Charlottes Schulter und drückte sie sanft. »Ist ja gut, Liebes. Mach dir keine Gedanken. Ich sorge schon dafür, dass du nach Hause kommst, ohne dass deine Mutter etwas von deiner … deiner unglücklichen Verfassung erfährt.«
»Meiner was?«
Gillian übernahm die Führung, indem sie Charlotte sanft umdrehte und unauffällig verschwinden wollte, ehe jemand auf den bedauernswerten Zustand ihrer Cousine aufmerksam wurde, als sie sah, wie Sir Hugh mit zwei großen Männern zu ihnen trat. Ihre Augen weiteten sich, als sie den Blick des dunkelhaarigen Mannes auffing, der vor ihnen stehenblieb. Gütiger Gott, was für ein Mann!
»Lady Charlotte, Miss Gillian Leigh, darf ich Sie mit dem Earl of Weston und mit Marquis Rosse bekannt machen?«
Gillian öffnete erstaunt den Mund, war jedoch nicht in der Lage, auch nur ein Wort hervorzubringen. Die grauen Augen des Earls waren silbrig gesprenkelt und wurden von den dunkelsten und dichtesten Wimpern umrahmt, die sie je gesehen hatte. Sie spürte, wie es sie am ganzen Körper zu kribbeln begann, als Lord Sinnlichkeit ihre Hand an die Lippen hob. Und als seine Berührung ihr feurige Schauer über die Hand jagte, dankte sie dem Himmel, dass sie ihre Handschuhe ruiniert hatte.
Der Earl hob eine seiner perfekt geschwungenen schwarzen Augenbrauen. »Wie wahr. Ein Kennenlernen wird doch gleich viel …
persönlicher
, wenn die Dame keine Handschuhe trägt.«
Gillian spürte, wie ihr die Röte den Hals hinaufkroch, als ihr klarwurde, dass sie wieder einmal Opfer ihrer leidigen Angewohnheit geworden war. »Ach verflucht!«
Auch die zweite dunkle Braue schoss nach oben. Nun hatte die Röte Gillians Gesicht erreicht. »Es tut mir leid, Mylord, das ist eine meiner unseligen Angewohnheiten. Ich rede drauflos, ohne nachzudenken.« Sie versuchte es mit einem unbekümmerten Lächeln, doch es wollte ihr nicht so recht gelingen.
Als Gillian sah, dass die Mundwinkel des Earls zuckten, drohten ihre Knie nachzugeben. Sie wollte den Blick von seinem Mund losreißen, war jedoch wie verzaubert von dem sinnlichen Schwung seiner Unterlippe. Lippen wie diese sollten verboten werden. Während sie gotteslästerliche Gedanken gen Himmel schickte, wie man es wagen konnte, ein so umwerfendes Geschöpf
Weitere Kostenlose Bücher