Ein Lord zu Tulivar (German Edition)
schmucklose Ring mit dem Wappen der Herzogin von Storn sagte genau das aus. Die von Storn waren eine noch mächtigere Familie als die Levellianer und die Herzogin sah nicht nur aus wie eine Spinne, sie hatte auch die politischen Ambitionen und Verhaltensweisen einer Schwarzen Witwe. Einst hatte ich ihr, ohne dazu angehalten zu werden, einen Gefallen getan, der die weichere, selten zum Vorschein tretende Seite dieser alten Dame berührt hatte. Seitdem stand sie in meiner Schuld, und jetzt hatte ich diese Schuld eingefordert. Dazu musste sie gar nichts tun. Es bedurfte nur einer symbolischen Geste, des Hinweises, dass Geradus Baron von Tulivar in einem Netz saß, das so viel größer, weiter gespannt und belastbarer als das des Plothar war und dessen Spinne, hager und dürr und gar nicht fett, dem Grafen jederzeit den Kopf abbeißen konnte, wenn es ihr beliebte.
Sie würde es wahrscheinlich nicht tun, selbst wenn ich sie darum bitten sollte. Die Levellianer unnötig zu provozieren war nichts, was in ihrem Interesse lag. Aber sie musste auch nichts dergleichen tun, es genügte, Plothar, den Grafen zu Bell, daran zu erinnern, dass sie es konnte.
Der Levellianer sah mich an, diesmal ohne Verachtung, sondern mit einem sehr, sehr widerwilligen Respekt und der leisesten Ahnung von Furcht. Er tat, was er nur tun konnte, senkte den Blick, murmelte einen Dank und wies darauf hin, dass er dieses Geschenk nicht annehmen könne, sondern es ihm eine Freude sei, wenn es gut verwahrt in den Händen des treuen Barons von Tulivar, seines guten Freundes, verbleibe.
Ich akzeptierte diese Äußerung der Demut mit respektvoller Ehrfurcht, nahm die Schatulle wieder entgegen, verbeugte mich tief. Die Umstehenden verstanden nicht, was sich hier gerade abgespielt hatte, und das war auch nicht nötig. Es reichte völlig aus, dass Plothar begriff, dass es da eine unsichtbare, fein gesponnene Grenze gab, die er nicht überschreiten sollte. Wenn er diesen feinden Webfaden berührte, würde dieser zu zittern beginnen und eine Spinne aus ihrer Ruhe wecken, deren Schlaf ihm lieb und teuer sein sollte.
Ich verbeugte mich erneut, ließ es nicht an Respekt und Ehrerbietung mangeln.
Dann zog ich mich zurück, spazierte am Buffet vorbei und betrat bald darauf zusammen mit Selur die Straße, bereit, den Heimweg anzutreten.
Ich war satt.
Jetzt hoffte ich, dass mein Netz halten würde.
Epilog
In diesem Sommer geschahen noch einige Dinge, und andere geschahen nicht. So fand Geradus Baron von Tulivar, einst Hauptmann Kaitan, für einige Zeit seine Ruhe.
Die Ernte war hervorragend, das Land hielt sein Wort. Fische gab es im Überfluss. Die Wälder hatten viele Sprösslinge. Die Steinbrüche gaben wunderbares Baumaterial. Die Wege waren sicher. Die Rinder und Pferde der Bauern blieben unbehelligt.
Felsdom wurde neu besiedelt. Niemand hörte vom Hetman, falls es überhaupt einen neuen gab. Die Arbeiter in der Mine blieben völlig ungestört und ließen den Reichtum fließen, vornehmlich in die Taschen von Woldans Bruder Goran, der ein Gauner war, sich aber an die Abmachungen hielt. Man betrog den eigenen Bruder nicht, vor allem nicht, wenn er Gefolgsmann eines echten Barons war.
Der Steuereintreiber des Kaisers erschien, hielt die Hand auf und ich füllte sie ihm mit einer angemessenen Summe. Er lächelte dabei nicht, sondern nahm das Geld gewissenhaft in Empfang. Er sprach vom Netz und dass der Baron zu Tulivar in der Hauptstadt Gegenstand von Gesprächen sei. Dann ging er wieder.
Neja, die Sprecherin, wurde Mutter von sieben Kindern, die sie dem Baron alle einzeln vorführte und alle zu kraulen waren. Der Baron war sich nicht sicher, was er dabei empfand. Die sieben Jungtiere wussten es genau, denn sie verlangten ständig nach mehr.
Die Fronarbeiter vollendeten die Stadtmauer um Tulivar. Irgendwann würde sie auch einmal vollständig aus Stein bestehen. Es gab jetzt ein Nordtor.
Der Baron erhielt jeden Monat eine kleine Kiste mit richtigen Goldmünzen aus dem Erz, das man im Norden geschürft hatte. Das meiste behielt er und rührte es nicht an.
Tulivar hatte seinen ersten echten Einwanderer zu verzeichnen, einen jungen Bauernsohn aus Bell, der nach dem Tode seines Vaters, an nur dritter Stelle der Erbfolge, leer ausgegangen war und sein Glück suchte. Er bekam ein Stück Land und die besten Wünsche. Es gab genug davon zu verteilen und alle hofften, es würde sich herumsprechen.
Der alte Lorn starb im Winter.
Dalina wurde
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