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Ein Lord zu Tulivar (German Edition)

Ein Lord zu Tulivar (German Edition)

Titel: Ein Lord zu Tulivar (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van den Boom
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deprimiert zu sein.
    Ohne einen weiteren Kommentar trieb ich mein Pferd an. Unser Ziel war der Turm.
    Immerhin, das eine oder andere, das wir auf den Weg dorthin beobachteten, war nicht ganz so mitleiderregend. Ich sah wohlbestellte Ackerflächen, auf denen Landwirte mit der Arbeit beschäftigt waren. An einem Bach stand eine etwas klapprige, aber funktionstüchtige Wassermühle, deren Mühlrad sich träge im dahinplätschernden Nass drehte. Uns kamen Bauern entgegen, die uns weniger feindselig, dafür neugierig ansahen. Einer grüßte uns sogar recht freundlich. Meine Stimmung hob sich.
    Nach einer Stunde hatten wir den Turm erreicht. Der Eindruck, den wir aus der Ferne vom Zustand des Bauwerkes gewonnen hatten, bestätigte sich. Dennoch war mehr an dem Gemäuer, als wir hatten erkennen können. Ein kleines Gehöft war daneben angesiedelt, mit Wohnhaus, zwei Stallgebäuden und einem Schuppen. Der Turm wurde offenbar bewirtschaftet, und das waren dann schon ganz andere Ausgangsvoraussetzungen, als wenn das Bollwerk einfach nur dem Verfall preisgegeben worden wäre. Der rund zehn Meter hohe, vielleicht sechs Meter durchmessende Turm wirkte zwar verwittert und angegriffen, allerdings nicht so verfallen, wie er aus der Ferne ausgesehen hatte.
    Ich fasste neuen Mut.
    Als wir auf den Hof ritten, fielen mir mehrere Dinge auf.
    Da war zum einen der Mann, der im Auslauf des Schweinestalles hockte. Es waren große, wohlgenährte Schweine, die sich da im Dreck suhlten, sich um ein paar Rüben zankten und generell guter Dinge waren. Auch der Mann sah nicht unterernährt aus, wirkte aber da, wie er auf dreckigem Stroh inmitten des grunzenden Treibens lag, etwas deplatziert. Die Tiere störten sich nicht weiter an ihm, tatsächlich schien er irgendwie … dazuzugehören. Der Mann schlief friedlich.
    Da war zum anderen ein weiterer Mann, der aus dem Hauptgebäude des Hofes trat. Er war stattlich, um nicht zu sagen: fett, hoch wie breit. Sein flaches, breites Gesicht wurde durch einen grauen Haarkranz umrahmt, der mal Bart, mal Haupthaar war, und von einer gigantischen, fleischigen Nase dominiert. Seine Augen waren klar und wachsam, und er betrachtete meine kleine Armee mit sichtlichem Unbehagen. Er trug ein fleckiges Wams, das einem Zelttuch gleich über seine mächtige Wampe gespannt war, und weite, ebenso dreckige Hosen. Der Großteil der Flecken war eindeutig als Essensreste zu identifizieren, was mich nicht überraschte. Für seine Statur und sein Gewicht war er sehr flink auf den Beinen, vor allem, als seine dicken Hände behände nach einer Mistgabel griffen, die an einer Wand angelehnt stand. Er wollte uns nicht ohne Waffe entgegentreten.
    Ein vernünftiger Mann.
    Er trat furchtlos vor uns. Aus den Fenstern des Bauernhofes lugten neugierige und ängstliche Gesichter. Eine Frau, mehrere Kinder. Sie wollten sich nicht zu uns gesellen.
    Viel bemerkenswerter als die verteidigungsbereite Haltung des voluminösen Landmannes fand ich die Tatsache, dass sich am Turm absolut nichts regte. Ich hatte keine Armee erwartet, aber am offiziellen Amtssitz der Regierung zumindest … irgendwas.
    Ich wusste auch nicht.
    Seufzend schwang ich mich vom Pferd und schritt gemessen auf den Mistgabelbesitzer zu. Da ich das Schwert am Gürtel ließ und alles in allem sicher einen eher resignierten Eindruck machte, schien er mich nicht für übermäßig bedrohlich zu halten. Als ich ein Pergament herausholte und ihm maximal mit Bürokratie drohen konnte, entspannte er sich. Gegen zu viel Bürokratie, das wusste der gewiefte Provinziale, half ein gutes Kaminfeuer.
    Ich entrollte meine Ernennungsurkunde und sah den Mann freundlich lächelnd an.
    »Ich bin der neue Baron von Tulivar. Hier.«
    Ich hielt viel von einer unkomplizierten Vorgehensweise. Der Mann klaubte die Urkunde aus meiner Hand und warf einen Blick darauf. Die Magie begann zu wirken, denn seine Augen weiteten sich für einen Moment. Dann sah er mindestens genauso resignativ wie ich aus, als er mir das Papier zurückgab und die Mistgabel schlicht zu Boden fallen ließ.
    Er ächzte und begann, sich auf unvorhergesehene Art zu bewegen: Der Schwerkraft nur mühsam folgend, ließ sich dieser Berg von einem Bauern auf sein rechtes Knie herunter, neigte den Kopf zu einer respektvollen Geste und sorgte dadurch dafür, dass ich ihn wie vom Donner gerührt anstarrte. Selur räusperte sich, was mich aus meiner Trance wiedererweckte.
    »Erhebt Euch, im Namen der Götter!«, stieß ich hastig hervor.

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