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Ein Lord zu Tulivar (German Edition)

Ein Lord zu Tulivar (German Edition)

Titel: Ein Lord zu Tulivar (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van den Boom
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Der Mann tat wie geheißen, auch wenn das einige Zeit dauerte. Dann warf er sich vor mir in Positur und sprach in einem tiefen, resonierenden Bass.
    »Ich bin Frederick, Kastellan von Tulivar!«
    Ich hob meine Augenbrauen. Aber warum genau war ich überrascht? Der Graf hatte mir doch erzählt, dass sein … Vertreter in Tulivar ein Kastellan war. Vielleicht hatte ich etwas oder jemand anderen erwartet, nicht einen Landwirt von der Größe eines mittleren Gebirges. Ich verbarg mein Erstaunen und beschloss, dem Mann Respekt zu zollen. Immerhin hatte er heute mehr Gymnastik gemacht als in den letzten zehn Jahren seines Lebens. Außergewöhnliche Leistungen bedurften der Anerkennung.
    »Ich bin erfreut, Euch kennenzulernen, Frederick. Wenn ich das richtig sehe, seid Ihr damit künftig mein Kastellan.«
    Der Mann schnaufte und nickte, machte dann eine Handbewegung in Richtung Turm. »Leider ist das alles, was es hier gibt, und es ist … nun ja … nicht richtig genutzt.«
    »Was meint Ihr, Frederick?«
    Der Mann wirkte etwas verlegen, dann ging er einige Schritte zum Tor des Turms. Es war nur angelehnt und hing leicht schief in den rostigen Scharnieren. Er zog ächzend einen Torflügel auf und erntete heftigen Protest, als die etwa dreißig im Inneren des Turms nistenden Hühner sich über die plötzliche Ruhestörung beschwerten. Zwei Hähne stolzierten angriffslustig ins Freie und krähten uns ihre grundsätzliche Kritik entgegen.
    »Es ist der …«
    »… Hühnerstall«, vervollständigte ich. Der Gestank, der mir entgegenschlug, sprach für sich. Im düsteren Inneren erkannte ich eine steinerne Wendeltreppe, die nach oben zur Plattform führte, ein paar Gucklöcher und Schießscharten für Bogenschützen sowie eine Menge Hühner. Imposante militärische Architektur, die einem durchweg friedlichen Zweck diente, die aber gleichzeitig mein offizieller Amtssitz war.
    Ich seufzte. »Kastellan, Ihr werdet eine andere Heimat für Eure Hühner finden müssen.«
    Frederick blickte betrübt auf das Federvieh. »Das muss ich wohl, Herr.«
    Ich drückte den Torflügel wieder zu, ehe eine der aufgebrachten Hennen einen Schlaganfall bekam.
    »Wo sind die Wachmänner, die zu diesem Turm gehören?«
    Frederick wurde etwas blass um die Nase. Ich baute mich vor ihm auf und schaute streng.
    »Der Graf zu Bell hat mir die Soldliste Tulivars gezeigt. Auf der stehen zwölf Wachsoldaten, unter dem Kommando eines Sergeanten. Wo sind sie?«
    »Soldliste?«
    »Ich habe sie dabei.«
    »Aber was für ein Sold?«
    »Der Sold wird aus den Steuereinnahmen der Baronie beglichen. Vier Kupferstücke die Woche für den einfachen Soldaten, sechs für den Sergeanten, zudem Kost und Logis.«
    Frederick kratzte sich am Bart. Dann räusperte er sich.
    »Hat der Graf zu Bell Euch mehr zu diesen Steuereinnahmen gesagt?«
    »Er meinte, dass er kaum Gelder aus der Baronie erhalte. Aber das ist der Zehnte für den Imperator. Was ist mit der lokalen Steuer?«
    Frederick hüstelte. »Nun, Herr, da habe ich schlechte Nachrichten für Euch. Hier wurden seit Jahren keine lokalen Steuern mehr eingetrieben. Die Leute sind arm. Was hätte ich ihnen nehmen sollen? Und da es keine lokalen Steuern gibt, gibt es auch keine Soldzahlungen. Und da es keine Soldzahlungen gibt …«
    »… gibt es keine zwölf Soldaten«, schloss ich für ihn.
    »Nun, einen gibt es. Seht Ihr, als Kastellan werde ich ja eigentlich auch aus der lokalen Steuer bezahlt. Mein Vater, der ebenfalls Kastellan war, hat den Hof um den Turm errichtet, damit er von etwas leben kann. Schon damals war das mit den Steuern nicht so weit her.«
    »Verstehe«, meinte ich ergeben.
    »Jedenfalls schaffe ich die Arbeit nicht alleine. Die Götter haben mich mit drei Töchtern gesegnet …«
    Ein interessiertes Gemurmel hob unter meinen Männern an, das Frederick geflissentlich überhörte.
    » … und einer fleißigen Frau, doch ich brauche gerade bei Aussaat und Ernte Hilfe. Die leistet dann der Sergeant dort.«
    Ich folgte dem ausgestreckten Arm mit den Augen und mein Blick fiel auf die schlafende Gestalt im Schweinegehege.
    »Sergeant, ja?«
    »War er mal. Der letzte Soldat, der entlassen wurde, vor zehn Jahren.«
    »Ah … und der Schweinestall ist sein Zuhause?«
    Der Kastellan antwortete nicht sogleich, sondern blickte auf die friedlich zwischen den Schweinen ruhende Gestalt.
    »Es ist so, Baron«, sagte er mit ernster Stimme. »Vor zehn Jahren lebte er mit seiner Frau und seinem Sohn in einer Kate, nicht

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