Ein Lord zu Tulivar (German Edition)
weit von hier, den Weg herunter. Er hatte sicher keine Reichtümer, doch auch, als er als letzter Wachsoldat entlassen wurde, fand er sein Auskommen als Arbeiter auf unserem Hof. Dann lief der Krieg nicht so besonders und die Anwerber – oder soll ich besser sagen: die Entführer – kamen sogar bis nach Tulivar. Sie verschleppten seinen Sohn, pressten diesen in die Armee. Eine Woche später hat sich seine Frau selbst getötet. Eine weitere Woche später brannte die Kate ab und er fing an, im Schweinestall zu schlafen. Er meinte einmal zu mir, dass die Schweine zwar mitunter auch bösartig seien, aber er sich im Großen und Ganzen auf sie verlassen könne. Er arbeitet weiter zuverlässig auf meinem Hof, aber aus nachvollziehbaren Gründen eher allein.«
Frederick sah mich direkt an. »Wir sind arm und der Krieg hat uns noch ärmer gemacht, Baron. Gold hat er uns nicht gekostet, denn was wir nicht hatten, konnte man uns auch nicht nehmen. Aber man hat uns die Söhne genommen, bis in das kleinste Gehöft hinein, und bis jetzt ist noch keiner von ihnen zurückgekehrt. Ihr wart im Krieg, Baron, und Ihr seid zurück. Man wird Euch Fragen stellen.«
Ich senkte den Blick, ehe ich antwortete. Fredericks Worte waren ohne jede Anklage gewesen, was möglicherweise auch daran lag, dass er aufgrund seines ausschließlich weiblichen Nachwuchses diese Art von Verlust nicht erlitten hatte.
Ich räusperte mich. Meine Stimme klang belegt.
»Kastellan, der Krieg ist vorbei. Die Armee wurde aufgelöst, von der Imperialen Standarte einmal abgesehen, die in der Hauptstadt stationiert ist. Zum Zeitpunkt des Sieges hatten wir 180 000 Mann unter Waffen. Dazu kommt noch einmal die gleiche Anzahl von Leichnamen, die wir alleine im letzten Jahr angehäuft haben. Von den 180 000 Überlebenden wurden 150 000 entlassen und nach Hause geschickt. Ich hoffe und bete, dass darunter auch einige Söhne aus Tulivar sind. Aber ich kann nicht versprechen, dass sie hierher zurückkehren werden.«
Ich machte eine umfassende Handbewegung. »Tulivar ist arm, wie Ihr schon richtig bemerkt habt. Die Überlebenden der Armee haben das ganze Imperium gesehen, einige sind um die halbe Welt gereist. Große Städte, prächtige Paläste, mitunter auch sehr exotische Orte mit ihrem eigenen Reiz. Im Tross gab es viele junge Frauen, Marketenderinnen, Huren. Familien haben sich trotz aller Entbehrungen gegründet. Das Land ist leer, der Krieg hat es entvölkert. Es gibt viele schöne Landstriche, in denen ein leerer Hof neben dem nächsten steht, schönere Gegenden als das harsche und kalte Tulivar. Viele werden sich dort ansiedeln und ihre Heimat aus dem Herzen verbannen, Kastellan.«
Frederick nickte traurig.
»Ich hoffe trotzdem, dass einige ihre Familie wiedersehen wollen«, fügte ich hinzu. »Vor allem jene, die gepresst wurden. Ich würde gerne heimkehren, wäre ich an ihrer Stelle, und sei es nur, um den Verwandten zu versichern, dass es mir gut gehe, ehe ich mich auf grünere Weiden begebe. Aber nicht jeder ist so. Die Männer sind jung, Kastellan. Viele sind in der Endphase des Krieges in den Dienst verpflichtet worden, als es knapp stand. Sie waren 16 oder 17, als sie die Waffen erhielten, und jetzt sind sie 18 oder 19, wo es geschafft ist. Und obgleich sie in dieser Zeit sehr viel erlebt haben, sind viele tief in ihrem Herzen nicht mehr als Kinder. Andere sind sicher älter. Aber von denen werden viele woanders Wurzeln geschlagen haben.«
Für einen Moment herrschte Stille. Meine Männer sagten nichts. Sie alle kannten diese Geschichten, sie alle wussten, wovon ich sprach.
Frederick schaute auf den Schlafenden im Schweinegehege, dann seufzte er. »Herr, dies ist Euer Amtssitz. Ich werde mir endlich den Hühnerstall bauen, den ich mir lange versprochen habe. Allerdings … Herr, der Hof, den mein Vater errichtet hat, ist letztlich illegal, aus purer Notwendigkeit entstanden. Formal gesehen gehört er zum Turm. Ich …«
»Kastellan, wir werden dies später besprechen. Aber ich sage es gleich: Hier wird eines Tages die Burg Tulivar stehen. Euer Hof wird Teil dieser Burg sein, und er wird mir gehören, als Baron. Gleichzeitig aber verspreche ich Euch, dass die Arbeit Eures Vaters wie auch die Eure nicht vergebens gewesen sein soll. Ich bin kein Dieb.«
Frederick war sichtlich erfreut, dies aus meinem Munde zu hören.
»Das Erste, was ich zu tun gedenke, ist, Euch den zustehenden Sold zu zahlen. Als Kastellan stehen Euch eine Silbermünze pro Woche
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