Ein Lottogewinn und 8 Millionen andere Probleme
und Lia. Am besten so schnell wie möglich.«
Daraufhin unterhielten sich Gilda und Mum über die Organisation und den Ablauf. Dad sagte seufzend: »Ich find’s völlig daneben«, und mir war kotzübel. Das mit den Schlagzeilen machte mir Angst. Würde ich es hinbekommen, mich immer untadelig zu benehmen?
Wir einigten uns darauf, dass die Pressekonferenz gleich morgen stattfinden sollte. Mum rief beim Friseur an und machte für uns beide und Natasha einen Termin aus. Das passte mir eigentlich nicht, weil ich unbedingt auf den Flohmarkt gehen und die Lederjacke kaufen wollte, bevor sie weg war, aber dann bot Shaz an, das zu übernehmen. Eine echte Freundin! Ichlegte noch zwanzig Pfund drauf, damit sie sich auch etwas Schönes kaufen konnte.
Shaz brachte mir die Jacke in den Friseursalon. Mum, Natasha und ich hatten den Kopf voller Alufolie, weil wir uns Strähnchen machen ließen. Ich sprang von meinem Stuhl auf und fiel Shaz um den Hals.
»Super! Danke, Shaz!« Ich zog die Jacke sofort an und tanzte damit durch den Salon.
»Kannst du dich bitte wieder hinsetzen? Ich bin erst halb fertig«, sagte die Friseurin.
»Ach so. Tschuldigung.«
»Du willst das Teil doch hoffentlich nicht zur Pressekonferenz anziehen, oder?«, sagte Mum.
»Doch«, erwiderte ich nur. Ich wollte sehen, was Shaz sich gekauft hatte. »Cooles Kopftuch! Die glänzenden Streifen sind superschön, Shaz.«
»Und was willst du drunter anziehen?«, fragte Mum in gefährlich ruhigem Ton.
»Mein mintgrünes Oberteil vom Basar der Krebshilfe. Das, wo ich die Ärmel abgeschnitten habe. Und den Jeansminirock, an den ich die Karorüschen drangenäht habe.«
Der Rock hatte im Secondhandladen der Seniorenhilfe zwei Pfund fünfzig gekostet. Es war mir ein Rätsel, warum ich mehr Geld für Kleidung ausgeben sollte. Mit Secondhandklamotten brauchte man jedenfalls nie zu befürchten, dass man auf der nächsten Party das gleiche H&M-Kleid trug wie die magersüchtige Klassenschönheit, bloß drei Nummern größer. Und man tat noch etwas für die Umwelt und für einen guten Zweck.
Eine echte Win-win-Situation.
Mum verzog das Gesicht. »Willst du etwa im Fernsehen und in den Zeitschriften aussehen wie eine Stadtstreicherin, die sich aus den Kleidersäcken von Verstorbenen eindeckt? Die Jacke da stinkt und ist bestimmt voller Flöhe.«
Ich musste zugeben, dass die Jacke komisch roch. Das war mir auf dem Flohmarkt an der frischen Luft nicht aufgefallen. Zusammen mit dem Geruch der Haartönung ergab sich ein scheußlicher Gestank. Trotzdem hatte Mum kein Recht, über meinen Kleidungsstil herzuziehen.
»Was passt dir denn nicht dran, wie ich mich anziehe? Du bist ja bloß neidisch, weil ich gut aussehe und du wie eine spießige alte Oma.«
Natasha und Shaz wechselten im Spiegel einen Blick.
»Lia meint das nicht so«, sagte Nat dann beschwichtigend und Shaz setzte hinzu: »Ich finde Ihre Frisur ganz toll, Mrs Latimer«, dabei hatte Mum immer noch den Kopf voller Alustacheln und ähnelte einem außerirdischen Igel.
»So, jetzt geht’s ans Auswaschen. Kommen Sie bitte rüber zum Becken?«, sagte die Friseurin und Mum stand auf. »Wie wär’s, wenn wir nachher mal zu Harvey Nichols gehen?«, fragte sie. »Wenn du dich danach immer noch in Lumpen kleiden möchtest, sage ich nichts mehr.«
Ich hatte keine Lust und keine Zeit, mich mit ihr zu streiten. Ich musste meine SMS checken (mein neues iPhone war natürlich nicht Secondhand!). Es warenHunderte. Offenbar wusste schon die ganze Schule von meinem Lottogewinn. Und alle hatten mir geschrieben.
Alle außer Raf.
Wenn er mich mochte, hätte er doch wenigstens … er hätte mich wenigstens mal fragen können, ob wir zusammen weggehen wollten, oder? Meine Nummer hatte er nämlich. Unter einem Vorwand (Chemie-Hausaufgaben) hatte ich sie in sein Handy getippt. Leider hatte er mich noch nie angerufen. Was hatte er vor? Hatte er überhaupt etwas vor, was mich betraf?
Es konnte doch nicht wahr sein, dass ich jetzt Lottomillionärin war und der Mann meiner Träume mich verschmähte!
Auf dem Weg nach Knightsbridge grübelte ich die ganze Zeit über Raf nach. Doch als wir die Harvey-Nichols-Boutique betraten, vergaß ich ihn schlagartig.
Ich ging sonst nie in normale Läden. Aber das hier war kein normaler Laden. Harvey Nichols war stylish und superteuer. Jeden Augenblick konnte irgendein Star reinkommen. Es war so still wie im Museum. Ich fühlte mich wie die letzte Pennerin. Die Verkäuferinnen lächelten zwar
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