Ein Lottogewinn und 8 Millionen andere Probleme
eine glückliche Familie, dachte ich, eine fröhliche, reiche, glückliche Familie. Und das für nur acht Millionen – Peanuts!
Vielleicht würde der Lottogewinn auch aus mir einen anderen Menschen machen. Ein liebes, nettes Mädchen, das nicht immer alle provozieren musste, das seine kleine Schwester nicht mehr ärgerte, das von seinem Vater ernst genommen und von seiner Mutter geliebt wurde. Klar, mit Geld konnte man weder Gesundheit noch Glück kaufen – aber verändern würde mich der Millionengewinn doch bestimmt!
Der kleine Zug fuhr rundherum, rundherum, und wir leerten einen Teller nach dem anderen, aber es standen immer wieder neue, gefüllte Teller drauf. Da begriff ich, dass mein Leben von nun an wie ein Sushi-Zug sein würde: eine Entscheidung nach der anderen, immer wieder neue, ohne dass je ein Ende in Sicht kommen würde.
Mir wurde ein bisschen mulmig.
7
Berühmtwerden ist einfacher, als man denkt.
»Schau zu mir, Lia!«
»Hier rüber, Schätzchen!«
»So ist es super – und jetzt hoch die Gläser –, jaaa!«
Drei Kamerateams waren erschienen, dazu ein Heer von Fotografen und Reportern. Es war heiß und stickig, und die Reporter rochen nach Schweiß und Zigaretten. Zum Glück hatte ich mich vorher zweimal hintereinander mit Deo eingesprüht. Aber mein Gesicht wurde langsam heiß und bestimmt auch rot.
Die meisten Leute wollen berühmt sein, damit sie reich werden. Man braucht sich doch nur die ganzen Idioten anzusehen, die in Reality-Shows auftreten. Wer sowieso schon reich ist, legt keinen Wert auf Berühmtheit. Wozu auch?
Dann fiel mir Paris Hilton ein. Sie war schon von Haus aus megareich. Warum wollte sie auch noch unbedingt berühmt werden? Oder wollte sie das gar nicht? War sie durch das Sexvideo im Internet unfreiwillig berühmt geworden? Plötzlich drückten meine neuen Manolo Blahniks.
Aber dann ging es los und ich dachte nicht mehr an Paris Hilton.
Wenn einen lauter Leute mit Fragen bombardieren, fühlt man sich gleich als was Besonderes. Man kommtsich wichtig vor. Wichtig, erwachsen, erfahren … wie jemand, der etwas zu sagen hat.
»Wie fühlt man sich als jüngste Lottogewinnerin aller Zeiten?«
»Gut. Sehr gut. Aufgeregt.«
»Willst du weiter zur Schule gehen?«
»Ich … öh … muss ich ja wohl. Ich mache erst mal den Mittleren Schulabschluss. Danach … keine Ahnung.«
Auf diese diskrete Art verkündete ich aller Welt, dass ich die Schule so bald wie möglich hinschmeißen wollte. Zum Glück fiel es keinem auf.
»Was willst du mit deinem Gewinn anfangen, Lia?«
»Weiß ich noch nicht. Auf jeden Fall spendiere ich meiner Schwester Gesangsstunden, damit sie sich bei X-Factor bewerben kann.«
Diese Antwort fanden alle toll. Es gab ein Blitzlichtgewitter und Natasha stieß einen Freudenschrei aus. Sie musste hinten stehen, weil die Lottogesellschaft gesagt hatte, Minderjährige dürften nicht mit auf die Bilder. Das Interesse der Reporter galt mir. Ich stand im Mittelpunkt, ich ganz allein. Ausnahmsweise musste ich mir die Aufmerksamkeit und Anerkennung mal nicht mit meiner kleinen Schwester teilen.
Es gefiel mir. Ich konnte gar nicht genug davon kriegen.
»Meinen Eltern schenke ich einen Urlaub, weil sie immer für mich da sind«, fuhr ich fort. »Meine Freundinnen lade ich zum Shoppen ein. Und natürlich spende ich auch eine Menge.«
»Hast du einen Freund, Lia?«
Ich spürte wieder Rafs kräftige Arme um mich … und wurde rot. »Nö«, sagte ich kichernd. »Nicht direkt.« Es klang gar nicht überzeugend.
Als wir uns das Interview später im Fernsehen ansahen, schaute Mum mich durchbohrend an und fragte: »Von wem hast du da gesprochen, Lia? Von Jack?«
»Du bist unmöglich, Paula. Kann ich nicht mal mit einem Jungen befreundet sein, ohne dass du gleich sonst was denkst? Du und deine schmutzige Fantasie!«
Der Beitrag im Fernsehen dauerte nur ein paar Minuten. In Wirklichkeit hatten die Reporter gar nicht mehr aufgehört, Fragen zu stellen.
»Wie bist du auf die Glückszahlen gekommen?«
»Wie viel Taschengeld hast du vor dem Gewinn bekommen?«
»Hilfst du deinem Vater in der Bäckerei?«
»Wann und wo hast du den Schein gekauft? Und hast du vorher schon Lotto gespielt?«
Bevor ich diese Frage beantwortete, trank ich erst mal einen großen Schluck Limo. Nat und ich hatten beide ein Glas Sprite gekriegt.
»Du bist noch nicht achtzehn, darum bekommst du zum Anstoßen leider keinen Champagner«, hatte Gilda gemeint, als sie mir einschenkte.
»Also …
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