Ein Lottogewinn und 8 Millionen andere Probleme
ich war mit einem Freund im Zeitungsladen und er hat mir den Schein gekauft«, sagte ich dann zögerlich. »Ich hatte in der Woche davor Geburtstag. Der Lottoschein war sozusagen ein nachträgliches Geschenk.«
Das fanden die Reporter nun wieder ganz super. Sie erinnerten mich an ein Rudel tapsiger Welpen, denenman einen Ball hinwirft und die sich schwanzwedelnd draufstürzen.
»Was für ein Freund?« – »Wie heißt er?« – »Was sagt er dazu, dass du gewonnen hast?« – »Teilt ihr euch den Gewinn?« – »War der Lottoschein das schönste Geburtstagsgeschenk deines Lebens?«
Die letzte Frage fand ich dermaßen bescheuert – sie kam von einem Typen vom Daily Star –, dass ich meine Engelsmaske einen Augenblick fallen ließ.
»Na logisch!« Ich setzte rasch hinzu: »Obwohl … wenn ich nichts gewonnen hätte, müsste mein Freund mir jetzt noch was Richtiges schenken.«
Gelächter. Ein anderer Reporter fragte: »Schenkst du ihm denn jetzt etwas Richtiges?« Ich nickte und lächelte und trank noch einen Schluck Sprite.
Als wir wieder zu Hause waren, rief ich sofort Jack an. Die anderen waren damit beschäftigt, die Aluschalen mit dem chinesischen Essen zu verteilen. Paula hatte behauptet, sie wäre zu aufgeregt zum Kochen.
»Hallo … du-hu, Jack … ich hab den Reportern auf der Pressekonferenz erzählt, dass du mir den Lottoschein gekauft hast.«
»Ich weiß.« Er klang nicht begeistert. »Die Reporter waren schon bei uns und wollten mich interviewen. Sie wollten wissen, wie einem zumute ist, wenn man acht Millionen Pfund verschenkt.«
»Scheiße. Und was hast du gesagt?«
Er lachte. »Die Wahrheit, was sonst? Dass der Lottoschein der Lohn für eine heiße Liebesnacht war.«
»Nee, oder?«
»Quatsch. Bleib locker, Lia. So bescheuert bin ichnun auch wieder nicht. Ich habe gesagt, dass ich dir den Schein gekauft habe, weil ich kein anderes Geschenk für dich hatte. Und dass ich mich für dich freue. Das war’s.«
»Ach so. Dann ist ja gut.«
»Meine Mutter war ganz schön angepisst. Sie hat mich gefragt, warum ich mir nicht selber auch einen Schein gekauft habe.«
»Es kommt doch nicht auf den Schein an, sondern auf die richtigen Zahlen.«
»Erklärst du das bitte meiner Mutter?«
»Äh … hör mal, Jack, ich möchte dir auch was schenken. Um mich zu bedanken.«
»Echt? Was richtig Teures? So was wie … ein Motorrad?«
Was mochte ein Motorrad kosten? Bestimmt viel. Außerdem durfte Jack noch gar nicht damit fahren, weil er noch nicht siebzehn war.
»Klar kannst du ein Motorrad kriegen. Von mir aus auch ein Auto.«
Von seinem Jubelschrei platzte mir fast das Trommelfell.
»Krass! Ich liebe dich, Lia!«
Und schon fühlte ich mich wieder wie auf der Pressekonferenz: erwachsen, besonders, anerkannt. Ich war großzügig. Ich teilte mein Glück mit meinen Freunden. Jack liebte mich. Ich liebte ihn auch.
Natürlich nur so, als Kumpel.
Jedenfalls bis wir am nächsten Tag die Zeitungen kauften und ich feststellen musste, dass er mir die Show gestohlen hatte.
»Er kaufte seiner Freundin einen Lottoschein – jetzt ist sie Millionärin«, schrieb der Daily Telegraph , »Süße sechzehn und acht Millionen schwer – dank seinem Geschenk«, die Daily Mail . »Lias Glücksbringer! Von ihm bekam sie den Lottoschein«, titelte der Express .
In den anderen Zeitungen war es das Gleiche. Nur die Sun hob nicht auf Jack ab, sondern schrieb: »Bäckerstochter Lia muss nie mehr kleine Brötchen backen!«, was auch nicht viel besser war. Ach ja, und im Independent gab es auf Seite fünf einen Kommentar mit der Überschrift: »Ist staatliches Glücksspiel noch zeitgemäß?« Darin hieß es: »Ist es vertretbar, dass eine Schülerin acht Millionen gewinnt, während das Gesundheitssystem an allen Ecken sparen muss?« Ich hatte zwei Nanosekunden lang ein schlechtes Gewissen.
Die Fotos von mir waren ganz okay. Der Dolce & Gabbana-Rock machte schöne lange Beine und die knappe Jacke betonte, dass ich im letzten Jahr richtig Busen bekommen hatte – aber nicht ordinär oder so. Ich hatte meine neue Frisur vor der Pressekonferenz noch mal durchgeföhnt und meine kastanienbraun gesträhnten Locken glänzten. Nat hatte mich perfekt geschminkt. Meine braunen Augen sahen viel größer aus als sonst, mein Mund wirkte zum Glück ein bisschen kleiner.
Trotzdem ärgerte ich mich, dass Jack öfter zitiert wurde als ich und dass er für die Zeitungen anscheinend der eigentliche Held war. Natürlich vor allem weil er
Weitere Kostenlose Bücher