Ein Lottogewinn und 8 Millionen andere Probleme
Freunden und Verwandten davon.«
»Ist klar, Paula«, sagte ich ironisch. Sie hatte den ganzen Vormittag telefoniert.
»Paula?«, fragte Gilda. »Ich dachte, Sie heißen Sarah.«
Mum erwiderte hastig: »Ach, das ist nur ein Familienscherz.« Sie lachte künstlich.
Gilda kam wieder zum Thema. »Und wie wollen Sie gewährleisten, dass Lia anonym bleibt? Wenn auch nur ein, zwei Bekannte von einem Lottogewinn wissen, ruft früher oder später – meistens früher – doch ein Reporter an. Die Erfahrung machen wir immer wieder.«
»Dann sagen wir den Reportern eben, sie sollen uns in Ruhe lassen«, meinte Dad. »Lia ist schließlich erst sechzehn.«
»Und wenn ich gar nicht anonym bleiben will?«, fragte ich, eher aus Neugier.
»Dann berufen wir eine Pressekonferenz ein, liefern den Reportern eine Story und hoffen, dass sie das Interesse an dir bald wieder verlieren«, antwortete Gilda. »Das Ganze ist keine einfache Entscheidung.«
»Solange du der Presse sonst keinen Stoff lieferst, Lia, fände ich das auch in Ordnung«, sagte Mum. »Wer in der Öffentlichkeit steht, muss sich untadelig benehmen.« Ein versonnenes Lächeln umspielte ihre Lippen.
»Was meinst du mit ›Stoff liefern‹«, fragte ich argwöhnisch.
»Na ja, dass du dich unklug verhältst. Man liest so oft von Lottogewinnern, die über die Stränge schlagen. Drogen … zweifelhafte Männerbekanntschaften … du weißt schon. Stoff für Schlagzeilen.«
»Ach, das kommt eigentlich selten vor«, sagte Gilda. »Unsere Gewinner sind meistens Menschen wie Sie und ich, ganz normale Leute.«
Reporter? Pressekonferenz? Schlagzeilen? Krass! Die Journalisten würden alle meine Geheimisse enthüllen. Die Klatschpresse würde Fotos von mir abdrucken, auf denen meine Pickel rot eingekreist waren – nicht dass ich besonders viele hatte, aber jeder hat mal einen schlechten Tag. Die Paparazzi würden Jagd auf mich machen. Nein – das war keine gute Idee.
Ich schielte zu meiner Mutter rüber und sagte: »Ich bleibe lieber anonym.«
»Es gibt sogar Gewinner, die überhaupt niemandem von ihrem Glück erzählen«, sagte Gilda. »Vor ein paar Jahren hatten wir mal ein Ehepaar mit drei Kindern.Die Kinder waren alle schon erwachsen und hatten selbst Familie. Die Eltern haben den Gewinn vor ihnen geheim gehalten. Ein andermal war ich bei einer Frau, die dauernd auf die Uhr schaute und aus dem Fenster sah. Sie erklärte mir, ihr Mann käme bald nach Hause und er dürfe nichts von ihrem Gewinn erfahren.«
Mum lachte. »Wie kann man nur so geizig sein, stimmt’s, Lia?«
Ich betrachtete das Armband, das mir Natasha zum Geburtstag geschenkt hatte, und sagte nichts.
»Überleg’s dir noch mal«, fuhr Mum fort. »Vielleicht macht es dir ja Spaß, wenn die Zeitschriften Interviews oder sogar eine Modestrecke mit dir bringen.« Sie sah sich offenbar schon als meine PR-Beraterin.
Mum kannte sich mit der Presse aus. Sie arbeitete in einer PR-Agentur. Ihre Arbeit bestand darin, Journalisten anzurufen und zu überreden, Artikel über ihre Kunden zu bringen. Die waren aber nur irgendwelche C-Promis, für die sich kein Mensch interessierte. Natürlich verdiente man auch nicht besonders gut in dem Job. Ich hatte Mum schon oft gesagt, sie sollte sich um coolere Kunden bemühen, um Lady Gaga zum Beispiel, aber sie hörte ja nicht auf mich.
»Ich fänd’s trotzdem besser, wenn Lia anonym bleibt«, mischte sich nun auch Dad ein.
Mein Handy vibrierte. Ich hatte den Ton ausgestellt, aber es summte schon den ganzen Vormittag wie eine wild gewordene Hummel.
»Wie viele Leute wissen denn schon Bescheid, Lia?«, fragte Gilda. »Kannst du es überhaupt noch geheim halten?«
»Äh … keine Ahnung.«
»Bist du auf Facebook? Hast du schon etwas über deinen Gewinn gepostet?«
Ups! Ich war noch gar nicht dazu gekommen, aber trotzdem hatten schon jede Menge Leute Kommentare auf meiner Pinnwand hinterlassen und Natasha hatte eine Seite eingerichtet: »Meine Schwester hat im Lotto gewonnen.« Siebenundfünfzig Leute hatten schon auf »Gefällt mir« geklickt. Oh-oh …
Mum sagte: »Wir haben mit den Nachbarn ein bisschen gefeiert und Lia hat es ein paar Freunden erzählt. Und die Leute aus dem Internetcafé wissen auch Bescheid, oder, Lia? Natasha hat es wahrscheinlich auch schon ihren Freundinnen berichtet und Jack und Shazia haben bestimmt auch nicht dichtgehalten. Es ist zu spät. Uns bleibt gar nichts anderes übrig, als die Pressekonferenz zu geben, das müsst ihr einsehen, Ben
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