Ein Lottogewinn und 8 Millionen andere Probleme
sie so viel anprobiert und ich wollte ja pünktlich zu unserem Termin wieder hier sein, dass ich irgendwie den Überblick verloren habe.«
»So so. Demnach bin eigentlich ich schuld, dass du so viel ausgegeben hast.«
»Na ja … Sie sind nicht allein schuld«, räumte ich ein. Mum würde natürlich nie zugeben, dass sie auch daran beteiligt war. Ich fand Kevin nett. Es gefiel mir, einen persönlichen Banker zu haben.
»Dann möchte ich dir als Wiedergutmachung einen kleinen Überblick über Geldanlagen geben«, sagte er.
Er redete und redete. Über Investmentfonds, Aktien und Zinssätze. Über Risikostreuung, Staatsanleihen und unabhängige Finanzberater. Ich trank währenddessen Tee, futterte Kekse, nickte, lächelte ihn an und streute ab und zu ein »Ja« oder »Nein« ein.
Irgendwann sagte er seufzend: »Du hörst mir überhaupt nicht zu, stimmt’s?« Und dann fing er wieder mit den Wäldern und den jungen Hunden an.
»Ich habe genug Geld«, sagte ich. Ob ich mir einenjungen Hund anschaffen sollte? Ich hatte schon immer einen Hund haben wollen, aber meine Eltern behaupteten, das Tier würde vereinsamen, weil wir alle wegen Beruf und Schule tagsüber weg waren. Außerdem sei das Futter schrecklich teuer.
»Ich kann meinen Freunden jederzeit etwas kaufen, wenn ich Lust dazu habe. Aber ich habe ja gar nicht jeden Tag Lust dazu.«
»Nein? War das wirklich eine Ausnahme? Du glaubst nicht, wie oft wir erleben, dass gerade junge Lottogewinner von ihren Freunden ausgenutzt werden.«
»Ich lasse mich von niemandem ausnutzen«, erwiderte ich. Dann fiel es mir wieder ein.
»Ach, übrigens … ich brauche demnächst noch mal Geld. Ich habe meinem Freund versprochen, ihm ein Motorrad zu kaufen … und ein Auto.«
»Was für ein Motorrad denn?«
»Keine Ahnung. Er hat irgendeine Marke gesagt … Ducati oder so.«
Kevin stieß einen Pfiff aus. »Du willst deinem Freund ein Luxusmotorrad und ein Auto schenken?«
»Er ist nur ein Kumpel, nicht was Sie jetzt denken. Ich möchte ihm das Motorrad schenken, weil … weil er mir den Lottoschein geschenkt hat.«
»Aha. Aber verpflichtet bist du dazu nicht, das weißt du hoffentlich.«
»Ja … trotzdem …«
»Na gut. Lassen wir das und wenden uns wieder der Zukunft zu. Hast du vor, einen Teil des Geldes in euren Familienbetrieb zu investieren? Wirst du die Bäckerei eines Tages übernehmen?«
Seufz. In der Grundschule war ich ein Star gewesen, weil Dad Bäcker von Beruf war. Er lieferte die Torten für sämtliche Kindergeburtstage und ich verfügte über eine unerschöpfliche Quelle für Donuts, Brötchen und Croissants … das war fast so toll wie zaubern können.
Erst in der Pubertät wurde es mir peinlich, dass die größte Leistung meines Vaters darin bestand, den örtlichen Törtchenwettbewerb zu gewinnen. Mir wurde klar, dass es Spannenderes im Leben gab als Zuckerguss und Puddingteilchen.
Aber was?
»Ich … keine Ahnung«, beantwortete ich Kevins Frage. »Mein Vater fände das gut, aber ich selber weiß noch nicht.«
Meine Eltern hatten noch gar nicht mit mir darüber gesprochen, was ich mit dem Geld vorhatte. Dad hatte wie immer frühmorgens das Haus verlassen, Mum hatte in der Agentur zu tun. Ich ging allerdings davon aus, dass sie sich bald mit mir zusammensetzen würden.
»Auf dem Weg hierher bin ich an eurem Laden vorbeigekommen. Sehr nett. In Anbetracht der Wirtschaftslage hat es dein Vater sicher nicht leicht, sich zu behaupten.«
»Äh … wahrscheinlich nicht.« Was für eine schreckliche Vorstellung, mit Dad über die Zukunft der Bäckerei zu diskutieren! Wenn er nun von mir verlangte, sofort zu unterschreiben, dass ich den Laden eines Tages übernehmen würde?
»Auf der Pressekonferenz hast du erwähnt, dass du deiner Schwester Gesangsstunden bezahlen willst«, fuhr Kevin fort.
»Ja … ich glaube, sie ist gerade auf der Suche nach einem Lehrer.«
»Schön. Hast du dir sonst schon überlegt, was du mit deinem Gewinn anfangen möchtest, Lia? Vor dem Gespräch mit den Finanzberatern solltest du eigene Pläne entwickeln. Ich würde dir dringend zu einem Treuhandfonds raten. Dann wird der Hauptteil deines Vermögens für dich verwaltet, bis du alt genug bist.«
»Ich habe bereits eigene Pläne.« Ich schielte zur Tür. Nicht, dass Mum zuhörte!
»Ich will von der Schule abgehen. So schnell wie möglich. Ich will mir eine coole Wohnung und ein Auto kaufen. Ich will unabhängig leben und meine eigenen Entscheidungen treffen. Ich will mit
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