Ein Lottogewinn und 8 Millionen andere Probleme
meinen Freunden verreisen statt mit meinen Eltern. Reicht das?«
Dafür, dass er schon ziemlich alt war, sah Kevin echt gut aus. Er war blond und hatte große blaue Augen. Als er jetzt schmunzelte, erschienen in den Augenwinkeln Fältchen, aber nur ganz wenige.
»Und womit willst du dir den ganzen Tag die Zeit vertreiben?«, fragte er. »Mit shoppen? Mit fernsehen auf deinem riesigen Flachbildschirm?«
»Darüber habe ich noch nicht nachgedacht«, erwiderte ich, aber eigentlich hatte ich mir mein neues Leben so ähnlich vorgestellt. Natürlich musste ich auch noch meine Reisen vorbereiten, mich mit Freunden treffen und Zeitschriften lesen.
Kevin seufzte. »Dein Finanzberater kann dir erklären, wie sich das umsetzen lässt. Wenn du das Geld vernünftig anlegst, kannst du von den Zinsen gut leben. Was die eigene Wohnung betrifft, nimmst du diram besten einen Bevollmächtigten, der den Kauf für dich abwickelt. Wenn die Makler erst mal wittern, dass du im Lotto gewonnen hast, gehen sie mit den Preisen hoch.«
»Okay.«
»Was halten deine Eltern denn von diesen Plänen?«, fragte er.
»Die … Ich habe noch nicht … Bitte erzählen Sie ihnen nichts davon.«
»Alles, was wir beide besprechen, ist streng vertraulich.« Er kratzte sich den Kopf. »Trotzdem würde ich an deiner Stelle bald mit ihnen reden. Und überleg dir, was du in deiner schicken neuen Wohnung mit dir anfangen willst. Hast du keine Angst, dass dir irgendwann langweilig wird?«
Sollte das ein Witz sein? Ein Leben ohne Chemie, Bio und Geschichte – ich würde mich nie mehr langweilen müssen!
Kevin holte eine Broschüre aus der Aktentasche.
»Lies dir das doch mal durch. Es geht um ein Wochenendseminar für junge Leute, die plötzlich zu Geld gekommen sind. Manche haben geerbt, andere haben wie du im Lotto gewonnen, Fußballer sind darunter und Sänger. Ich glaube, der eine Schauspieler aus Harry Potter hat auch mal daran teilgenommen. Es geht nicht nur um Geldanlagen, sondern auch um die seelischen Folgen von Reichtum. Manchmal haben die Betreffenden zum Beispiel Schuldgefühle, weil es ihnen besser geht als den meisten anderen. ›Im Einklang mit dem Reichtum‹, nennt sich das Ganze. Soll ich mal nachfragen, ob noch ein Platz frei ist?«
Ein ganzes Wochenende mit lauter stinkreichen Jugendlichen und die ganze Zeit über Geld reden? Am liebsten hätte ich sofort »Nein danke« gesagt. Ich wünschte mir eigentlich wieder ein bisschen Normalität. Ich wollte über den Flohmarkt bummeln, mich mit Jack und Shaz treffen, im Internetcafé reinschauen, mich mit Raf unterhalten … Ich hatte keine Lust, mich mit Geldanlagen zu beschäftigen, und vom Shoppen hatte ich auch erst mal die Nase voll.
Mir war schon klar, dass ich meinen Eltern irgendwann verkünden musste, dass ich ausziehen und die Schule hinschmeißen wollte. Aber noch nicht jetzt. Ich brauchte eine überzeugende Verzögerungstaktik.
Ich warf einen Blick auf die Broschüre. »Im Einklang mit dem Reichtum – das hört sich gut an! Können Sie mich bitte anmelden, wenn es noch einen Platz gibt?«
11
Mach dich auf Probleme gefasst,
mit denen du nie gerechnet hättest.
»Aaaah … Uuuuh … Aaaah …«
»Natasha?«, fragte ich erschrocken. »Alles klar?«
Ich kam von einem Fotoshooting für die Teen Vogue, eine Modestrecke. Es war nicht so spannend gewesen, wie ich es mir vorgestellt hatte. Man stand die meiste Zeit nur rum, während ein Abendkleid nach dem anderen an einem festgesteckt wurde. Natasha lehnte am Fenster und quietschte wie ein abgestochenes Schwein.
Sie drehte sich um. »Ich bin superglücklich!« Oje! Wenn Natasha superglücklich war, endete das immer irgendwann in Tränen. »Die Gesangslehrerin hat mir Hausaufgaben gegeben. Ich soll zwei Mal am Tag Stimmübungen machen.«
»Ach so«, sagte ich. »Und ich dachte schon, du liegst im Sterben.«
Sie warf ein Kissen nach mir, traf mich aber nicht.
»Ich muss mit dir reden«, sagte ich. Vor lauter Interviews, Fotoshootings und Hausaufgaben war ich noch nicht dazu gekommen, in Ruhe nachzudenken. Ich hatte noch nicht mal Zeit gehabt, weiteres Geld auszugeben. Das mit den Hausaufgaben hätte ich natürlich sein lassen können, aber dann hätten meine Elternvielleicht geahnt, was ich vorhatte. Einem Riesenkrach fühlte ich mich noch nicht gewachsen.
»Klar. Was ist denn?«
»Es geht um Raf. Er war die ganze Woche nicht in der Schule. Ich mache mir Sorgen.«
»Ruf ihn doch an.«
»Ich trau mich nicht. Letztes Mal in
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