Ein Lottogewinn und 8 Millionen andere Probleme
Bogen um das Gebäude. Wir waren überzeugt, dass es dort spukte – von den Perversen, die sich dort rumtrieben, ganz zu schweigen.
Aber diesmal waren wir schließlich eine große Gruppe. Ich steuerte entschlossen das Friedhofstor an, als Natasha rief: »Da drüben ist ein Taxiunternehmen. Das hätte doch mal Stil!«
Ich verdrehte die Augen. »Geniale Idee, Nat.« Ich hatte keine Ahnung, wie viel eine ganze Taxikarawane kosten mochte. Aber meine Schwester hatte schon die Straße überquert und sprach mit Reza, dem das Taxiunternehmen gehörte.
»Vier pro Wagen, das macht sechs Taxen ….«
»Kommt nicht infrage«, sagte ich. Mein Blick fiel auf Lindsay Abbott, die Roos Schulrucksack trug. »Wir beide gehen ein andermal shoppen, Lins, okay?«
Lindsay war sauer, das sah man, aber sie zog ab.
Bis Reza fünf freie Taxen aufgetrieben hatte, dauerte es zwanzig Minuten. Ich hatte also reichlich Zeit, meinen Einfall mit der Shopping-Einladung zu bereuen. Außerdem hatte Mum mir drei SMS geschickt, die ich aber nicht las. Bestimmt hatte sie nur wieder was zu meckern.
Auf der anderen Straßenseite entdeckte ich Raf. Blass und mit gesenktem Kopf kam er angeschlurft, aber immerhin war er noch in Menschengestalt. Er sah mich nicht an, ging am Internetcafé vorbei und verschwand durchs Friedhofstor. Hätte ich doch bloß nicht auf die dumme Natasha gehört – dann hätten wir ihn vielleicht in der U-Bahn getroffen!
Reza verlangte, dass ich im Voraus bezahlte. Neunzig Pfund. Er zog skeptisch die Augenbrauen hoch, als ich ihm das Scheckheft von derselben Bank, bei der auch die Queen Kundin war, unter die Nase hielt. Aberdann zog Shazia einen zerknitterten Daily Mirror aus der Schultasche und zeigte ihm mein Foto.
»Ach so! Du sein Lottomädchen!«, sagte er und grinste so breit, dass seine Goldzähne aufblitzten. »Du wollen persönlichen Fahrdienst buchen?«
»Wenn Sie ihr heute einen Sonderpreis machen, überlegt sie sich’s ja vielleicht«, sagte Shaz. Daraufhin erließ mir Reza zehn Pfund.
»Gutes Geschäft!«, sagte Shaz und quetschte sich mit Daisy und Roo hinten rein, damit ich vorn sitzen konnte. Das war sicher nett gemeint, aber als ich die drei hinter mir kichern hörte, kam ich mir ein bisschen vor wie eine Mutter, die mit ihren Töchtern unterwegs ist.
Ich wollte kurz bei Hollister reinflitzen und dann eine Runde durch Top Shop, New Look, Gap und H&M drehen. Aber als wir in der Passage ankamen, wollten die anderen unbedingt in das große Kaufhaus. Es gelang mir nicht, sie zu H&M zu lotsen.
»Da ist es langweilig«, sagte Shaz.
»Da gibt’s keine Markensachen«, sagte Roo.
Ich war nicht wild auf Markenklamotten. Mein Einkauf bei Harvey Nichols vor der Pressekonferenz reichte mir. Eigentlich kaufte ich sowieso lieber Sachen, die ich nach meinem eigenen Geschmack ändern und verschönern konnte. Das Kaufhaus war etwas für spießige ältere Frauen wie meine Mutter.
Ich fand ein paar T-Shirts, aber nichts Aufregendes. Je länger ich mich umschaute, desto unspannender fand ich die Sachen. Ich ging zu den Handtaschen und entdeckte eine superschöne Lackledertasche, aber alsich auf das Preisschild schaute, fiel ich fast um. Tausendeinhundertfünfzehn Pfund! Das konnte sich doch kein Mensch leisten! Wieso war ausgerechnet diese Tasche so teuer? Es gab andere Taschen, die fast genauso schick, aber viel billiger waren. Lag das daran, dass sie von irgendwelchen ausgebeuteten Kindern in Indien und China hergestellt wurden? War es womöglich verantwortungsvoller, die teure Tasche zu kaufen?
Ich nahm die Tasche – ich legte sie weg. Ich nahm sie – ich bekam Kopfschmerzen.
Mein iPhone vibrierte schon wieder. Ich dachte nicht nach, sondern ging ran. Es war Mum. »Wo steckst du eigentlich?«, fragte sie.
»Äh … in der Passage. Ich bin mit ein paar Mädchen aus der Schule hier. Ich wollte ihnen was kaufen.«
Inzwischen fand ich meine Idee voll daneben, dabei hatte ich noch kein einziges Teil gekauft. Rafs seltsames Verhalten ging mir nicht aus dem Kopf. Würde er jetzt nie mehr mit mir reden? Wer hatte ihm das blaue Auge verpasst? Wo war er hingefahren? Ging es ihm schlecht?
»Wie bitte?! Kevin von der Bank kommt um sechs. Hast du den Termin vergessen?«
Verdammt. »Ähm … natürlich nicht. Ich bin spätestens um sechs da. Tut mir leid.«
Ich schaute mich nach den anderen Mädchen um. Erst sah ich sie nicht, doch dann entdeckte ich Shazias gestreiftes Kopftuch. Sie steuerte die große Gemeinschaftskabine
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