Ein Lottogewinn und 8 Millionen andere Probleme
möchte euch beiden gern ein paar Fragen stellen«, sagte der Ermittler.
»Geht’s dir gut, meine Kleine? Wo warst du?«, fragte Mum hysterisch.
»Jaja … mir geht’s gut«, antwortete Natasha matt, krümmte sich, presste die Hände auf den Magen und rülpste. Wir sprangen alle zurück, aber aus ihrem Mund kam nur Spucke.
»Natasha!«, schrie Mum. Natasha würgte wieder und diesmal erbrach sie einen orangefarbenen Schwall – und zwar auf Rafs schwarzes T-Shirt und seine Designerjeans.
»Oh nein!« Mum zerrte sie in Richtung Gästeklo.
»Eigentlich kannst du das jetzt wieder übernehmen, Jim«, sagte der Ermittler. »Ich muss weiter. Schönen Tag noch.«
Der Polizist sagte: »Ich nehme an, das war Natasha. Und du bist Rafael? Zu viel gefeiert, was?«
Raf wischte sich mit einem zerknüllten Papiertaschentuch die Überreste von Nats letzter Mahlzeit von der Hose. »Keine Ahnung … ich hab sie auf der Straße aufgelesen.«
Er bekam das höhnische Nicken des Polizisten nicht mit, weil er so beschäftigt war.
»Verstehe. Und der Anruf? Wolltest du Natashas Familie mal einen kleinen Schrecken einjagen, Freundchen?«
Shazia brachte Raf einen nassen Lappen und ein sauberes weißes T-Shirt. Das T-Shirt hatte sie wahrscheinlich von Mums Stapel mit Bügelwäsche genommen, denn es war Raf viel zu kurz und auf seiner Brust prangte der zerknitterte Schriftzug Tithe Green Korbball-Damenteam . Er sah trotzdem umwerfend aus.
Am liebsten hätte ich ihn umarmt, aber nicht vor so einem großen Publikum. Inzwischen standen mehrere Nachbarn im Morgenmantel vor ihren Häusern.
»Sie hat da vorn an der Ecke auf dem Bürgersteig gesessen. Ich hatte den Eindruck, dass sie … dass sie ein bisschen neben der Spur ist.«
»Mir geht’s gut«, ließ Natasha sich dumpf aus dem Gästeklo vernehmen.
»Ich hol ihr ein Glas Wasser«, sagte Shaz.
Mum und Dad schwirrten wie aufgescheuchte Hühner um Nat herum. Sie wurde auf einen Küchenstuhl gesetzt, Shaz wischte ihr das Gesicht ab und Mum und Dad überhäuften sie mit Fragen. Der Polizist ging nach nebenan und telefonierte mit seinem Revier. Raf und ich waren auf einmal allein vor dem Haus. Zum Teufel mit den Nachbarn! Ich fasste ihn am Arm.
»Was ist wirklich passiert, Raf? Mir kannst du’s erzählen.«
»Ich … das habe ich doch schon gesagt. Ich bin die Straße runtergegangen und hab deine Schwester gesehen. Sie sah schlecht aus. Ich dachte, sie braucht vielleicht Hilfe.«
Er unterbrach sich und schaute sich um. Der Polizist telefonierte noch und aus der Küche kamen laute Stimmen. Es hörte sich an, als ob alle drei – Mum, Dad und Natasha – einander anbrüllten. Ungewöhnlich. Sonst ging es immer um mich, wenn es Krach gab.
»Raf … ich …«
»Ich wollte dir was sagen, Lia. Deswegen bin ich hergekommen.«
Jetzt würde er mir von seinem verbrecherischen Vater erzählen. Und dann musste ich es der Polizei berichten.
»Es … na ja … ich weiß nicht, wie ich …«
»Ich glaube, ich weiß schon, was du meinst«, unterbrach ich ihn.
»Weil ich … weil ich doch kein Kondom benutzt habe. Obwohl ich eins … ich wollte nur nicht, dass du denkst … und ich wusste ja nicht … und dann bin ich irgendwie nicht dazu gekommen … aber ich bin eigentlich sicher, dass ich kein … aber wenn du willst, lass ich mich testen. Und … äh … hast du schon mal von der Pille danach gehört?«
»Schon okay«, sagte ich knapp. »Lass das mal meine Sorge sein.«
»Ich wollte nicht …«
»Schon okay.«
»Lia …«
Plötzlich stand Mum hinter mir. Mich traf fast der Schlag.
»Wir fahren ins Krankenhaus«, verkündete sie. »Mit Natasha stimmt was nicht.«
Na klar! Wenn meine Schwester Mum und Dad mal anbrüllte, nahmen die beiden sofort an, dass sie krank sein musste. Wenn ich ausrastete, verdrehten sie bloß die Augen und sagten: »Typisch Lia.«
»Wieso?«, fragte ich.
»Sie lallt, ihr Blick ist glasig und sie kann sich an nichts erinnern. Sie weiß nur noch, dass sie mit ihren Freundinnen auf irgendeiner Party war. Das gefällt mir nicht. Ich möchte, dass ein Arzt sich Natasha ansieht.«
»Dann geh ich mal lieber«, sagte Raf.
»Von wegen«, sagte der Polizist, »du kommst mit mir. Wir fahren wieder ins Internetcafé. Ich habe noch ein paar Fragen an dich.«
Raf blieb der Mund offen stehen. Jeder andere hätte bescheuert ausgesehen, aber Raf sah aus wie ein verwundetes Reh. Ein anmutiges, großäugiges, verwundetes Reh. Unglaublich.
Er stieg zu dem Beamten in den
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