Ein Macho auf Abwegen
dem Personalchef selbstsicher in die Augen. „Ach, wissen Sie, Herr
Bergmann. Ich denke, ein Zimmermädchen kann gar nicht qualifiziert genug sein.
Ich weiß auch, dass diese Arbeit ein Knochenjob ist, aber die Aufgaben eines
Zimmermädchens sind meines Erachtens ein ganz wichtiger Bestandteil des
Hotelbetriebes. Man hat täglich direkten Kontakt zum Gast und fungiert
sozusagen als Aushängeschild des Hauses. Wenn der Service auf den Zimmern nicht
klappt, was soll denn dann in einem Hotel überhaupt funktionieren? Ich kann
Ihnen versichern, dass ich selbstständig arbeiten kann und ganz genau Bescheid
weiß, wie der anspruchsvolle Gast zu behandeln ist.“
Scheinbar hatte ihr Anflug von Selbstbewusstsein ihrem
Gegenüber imponiert. Herrn Bergmann flog ein kleines Lächeln über das Gesicht.
„Nun gut, wenn Sie unbedingt wollen, versuchen wir es miteinander.
Gewissenhafte Zimmermädchen können wir in der Tat immer gebrauchen.“ Er schaute
auf den Fußboden, neben ihren Stuhl, wo Christina ihre Reisetasche abgestellt
hatte. „Wir haben hier im Haus einige kleine Personalzimmer. Allerdings
befinden sich die Unterkünfte im Keller und bieten keinerlei Komfort. Sie sind
doch gerade erst in der Stadt angekommen, nicht wahr?“ Der Personalchef
schmunzelte sie breit über den Schreibtisch hinweg an. „Ja, das stimmt. Ich bin
noch keine zwei Stunden hier, Herr Bergmann. Was würde denn so ein Zimmer
kosten? Könnte ich mir das überhaupt leisten?“ Idealer ginge es ja gar nicht!
Sie bräuchte sich kein Zimmer suchen und könnte ihr Geld auf dem Konto lassen.
Es wäre einfach perfekt. „Wir würden Ihnen dreihundert Euro monatlich vom
Gehalt abziehen. Für Logis und Kost selbstverständlich.“ Christina war damit
und auch mit Bergmanns Verdienstangebot sofort einverstanden. Sie musste
lediglich noch den obligatorischen Personalfragebogen ausfüllen. Sie
unterschrieb ihre Angaben über ihren Familienstand mit schlechtem Gewissen.
Statt verwitwet kreuzte sie geschieden an und verschwieg natürlich auch ihre
Kinder.
Herr Bergmann verabschiedete sie mit einem kernigen
Chefhändedruck und einem charmanten „Also dann, herzlich Willkommen und auf
gute Zusammenarbeit, Frau Klasen!“
„Vielen Dank! Das wünsche ich mir auch“, erwiderte das
frischgebackene Zimmermädchen freudestrahlend.
Ein auszubildender Page begleitete sie zu ihrem Zimmer in
die Katakomben des Hotels. Der Raum war wirklich winzig und hatte nur ein
Kellergitter als Fenster. Es gab ein schmales Bett, einen schmucklosen,
abgenutzten Kleiderschrank, einen verkratzten Nachttisch, einen wackeligen
Tisch mit zwei Stühlen. Alles war lieblos zusammengewürfelt, absolut typisch
für Personalräume in Kellerlöchern. Sie bedankte sich beim Kollegenazubi,
nachdem er ihr auch noch die Waschräume für die Angestellten gezeigt hatte.
Wie im Knast!, dachte sie. Fehlt nur noch das Kläppchen in
der Tür und das Klo in der Ecke! Der entscheidende Unterschied war aber
immerhin, dass Christina selber den Schlüssel für dieses Zimmer in der Hand
hatte. Sie konnte obendrein auch noch ganz allein entscheiden, wann und vor
allen Dingen von welcher Seite sie die Türe abschließen wollte. „Das nenne ich
aber mal Freiheit!“, rief sie glückselig und ließ sich auf das quietschende
Bett fallen. Es ging doch alles viel müheloser als vermutet. Sie musste spontan
lachen. „Christina Klasen, du bist ein echtes Sonntagskind!“ Sie blieb einfach
so auf ihrem Bett liegen. Sie hatte Zeit und die innere Ruhe, um ein wenig
nachzudenken und auszuspannen. Ihre einzige Pflicht für heute war, sich später
bei der Hausdame für die dritte Etage zu melden, um ihre Arbeitskleidung- und
Ausstattung in Empfang zu nehmen. Morgen früh um sechs Uhr würde ihr erster
Arbeitstag beginnen.
Frau Schal, die Hausdame der dritten Etage, hatte langes
blondes Haar mit einem einmalig rötlichen Schimmer. Sie hatte einen ganz
hellen, fast transparenten und vornehm wirkenden Teint mit ein paar witzigen,
kleinen Sommersprossen um die ebenmäßige Nase. Ihre Augen strahlten in so
hellem Blau, dass sie schon fast grau wirkten. Sie überragte die neue
Mitarbeiterin um einige Zentimeter, obwohl Christina Schuhe mit ziemlich hohen
Absätzen trug. Frau Schal war nicht ganz so schlank wie Christina. Ihre Figur
harmonierte dennoch sehr mit ihrer Körperhöhe. Ein richtiges Vollweib, urteilte
Christina. Die Dienstkleidung der Hausdame, die aus einem kurzen, schwarzen und
leicht taillierten Blazer nebst
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