Ein Macho auf Abwegen
schmerzverzehrtes, schweißnasses
Gesicht. „Beruhige dich bitte! Atme jetzt ganz ruhig!“ Ganz langsam schien sie
diesen Anfall zu überwinden. Sie hatte ihre Augen immer noch geschlossen und
versuchte krampfhaft durch den Mund einzuatmen. „Mach die Augen auf! Hey! Schau
mich an!“ Es dauerte eine Weile, bis sie ihre Augen öffnete und ihn ansah. „Es
ist gut, Prinzessin. Alles ist gut!“, flüsterte er tröstend und wiegte sie in
seinem Arm, als wäre sie ein kleines Mädchen, dass gerade schlecht geträumt
hatte. „Es ist okay! Alles okay!“
Minutenlang hielt er sie so. Irgendwann schien sie sich
wieder unter Kontrolle zu haben und atmete wieder normal. Er legte sie zurück
auf das Kopfkissen und ließ sich erschöpft neben ihr fallen.
Unweigerlich dachte er an Flucht. Er hätte damals, als sie
ihm alles gebeichtet hatte, sofort weggehen sollen, genauso wie sein
Bauchgefühl das gewollt hatte.
Das war’s dann wohl!, dachte er. Aus! Vorbei! Er hatte
seinen Traum umsonst geträumt! Wie konnte er nur so naiv sein, zu glauben, er
könne jemals eine normale Beziehung zu einer Frau haben? Wie konnte er nur so
beschränkt sein und das auch noch ausgerechnet mit dieser Frau zu planen? Das
sollte in seiner Biografie einfach nicht geschehen. Irgendeine höhere Gewalt,
oder was auch immer, hatte ihn dazu verdammt, von einem Bett in das nächste zu
hopsen. Ein bisschen Abenteuer, und tschüs! Dann nach Hause, alleine
einschlafen und alleine wieder aufwachen. Am liebsten hätte er laut
losgebrüllt: „Christina, wie konntest du nur so etwas tun!?“
Ja, wieso hatte sie diese ganzen Vorkehrungen für diesen
ganz speziellen Abend getroffen? Sie hatte diesen Entschluss ganz frei von
seinem Einfluss gefasst, ohne Zweifel! Sie war vorhin definitiv fest
entschlossen gewesen. – Und jetzt das? Ich habe es doch noch nicht einmal von
ihr verlangt! Habe ich etwa Ansprüche angemeldet? Das war doch nicht meine
Idee! Ich hätte doch auch noch länger gewartet!
Er musste an ihren nächtlichen Anruf vor ein paar Tagen
denken. Sie hatte Angst gehabt, er könnte sich anderswo das holen, was sie ihm
nicht geben konnte. Sie hatte es ihm ja gerade eindeutig bewiesen! Hatte sie
sich dazu veranlasst gefühlt, nur um seine Lust an anderen Frauen zu stillen? –
Wahrscheinlich war es wirklich so. Sie hatte sich unter Druck gesetzt gefühlt,
war aber immer noch meilenweit davon entfernt, sich ihm vollends anzuvertrauen.
Was sollte jetzt werden? Es war genau das eingetreten, wovor
er immer die meiste Angst gehabt hatte, nämlich, dass es schon beim ersten
Versuch vollständig in die Hose ginge, und es ihnen dann kaum mehr gelingen
würde. So gerne er auch mit Christina sein Leben teilte, auf diese Weise
konnten sie trotzdem nicht weitermachen! Er konnte, und er beabsichtigte nicht,
mit seinen gerade einmal Fünfzig Jahren, dem Sex den Laufpass geben. Mein
Gott!, dachte er. Andere nehmen noch mit siebzig oder mehr Jahren Viagra, damit
sie es noch können! Und ich, als gesunder Mann, soll darauf verzichten, nur um
mit Christina zusammen zu sein? – Das würde nicht funktionieren! So ehrlich
musste er schon sein.
Aber er wollte so gerne bei ihr bleiben! Nur wie? Er stellte
sich vor, wie er mit ihr seinen Alltag lebte, mit ihr zusammen arbeitete und
wohnte, verreiste, gemütliche Abende am Kamin verbrachte und alles was zu einer
Partnerschaft dazugehörte. Im nächsten Moment, sah er sich selber, ständig auf
der Jagd nach geeigneten Kandidatinnen für ein flottes Schäferstündchen. Na,
klasse! Und Christina könnte es dann jeden Morgen in der Zeitung lesen!, dachte
er verächtlich.
Wenn es doch nur ein einziges Mal klappen würde! Nur ein
Mal! Meine Güte! Er war ja wohl noch in der Lage, eine Frau zu befriedigen, ihr
zu den elementarsten und großartigsten Gefühlen zu verhelfen, welche auf diesem
Planeten für einen Menschen überhaupt vorgesehen waren! Wie konnte er sie bloß
dazu bringen, sich auf ihn zu verlassen, sich ihm vorbehaltlos hinzugeben? So,
wie sie vorhin allerdings auf ihn reagiert hatte, glaubte sie immer noch nicht
an ihn! Sie traute ihm nicht über den Weg! Was waren das für Sprüche, von
wegen: Ich will dich ganz nah bei mir! Ich liebe dich von ganzem Herzen, Marc!
Waren das nur hohle Phrasen? – Er konnte sich das einfach nicht vorstellen.
Ob er ihr offen schildern sollte, was er in den letzten
Tagen gemacht hatte? Sollte er ihr erzählen, dass er Kaisers Videos gefunden
hatte, und ein Freispruch nun im
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