Ein Macho auf Abwegen
Rahmen der Möglichkeiten war? Vielleicht würde
sie ihm dann endlich vertrauen? Würde sie ihn mit diesem Wissen gewähren
lassen? – Aber was hätte ich davon?, verschmähte er diese Idee im nächsten
Moment auch schon wieder. Gar nichts! Sie würde aus lauter Dankbarkeit mit mir
ins Bett gehen. Aus reinem Pflichtbewusstsein. Sie würde sich erkenntlich
zeigen wollen. – Nein! So wünschte er es auch nicht. Christina sollte aus
eigenem Antrieb, aus Lust auf ihn und seinen Körper mit ihm schlafen, ohne
Zwang und Nötigung!
Christina hatte sich auf die Seite gerollt und starrte die
Schlafzimmerwand an. Sie wollte ihn nicht anschauen, ihm nicht in die Augen
sehen. Wahrscheinlich stand in ihnen sowieso nur Niedergeschlagenheit, Unmut
und Bitterkeit geschrieben. Sie schämte sich zutiefst und wäre am liebsten im
Erdboden versunken. Sie fühlte sich wie tot, obwohl sie noch gar nicht
gestorben war. Sie hatte ihn unermesslich enttäuscht. Was wohl gerade in ihm
vor sich ging? Er musste doch absolut entmutigt sein! Das hatte Marc einfach
nicht verdient! Er musste sich doch beispiellos genarrt vorkommen und an ihrer
Liebe zweifeln.
Sie wagte kaum zu atmen, denn sie erwartete, dass er im
nächsten Augenblick aufstand, sich anzog und fortging. Er würde sie verlassen,
das war nun klar. So ein Dasein würde er nicht mit ihr teilen wollen. Für Marc
wäre das kein Leben! Sie hatte seine Geduld überstrapaziert und mit seinen
Gefühlen gespielt. Das musste er auf jeden Fall denken.
Sie verstand sich selber und die Welt nicht mehr. Sie hatte
alles genau geplant und sich vorher gründlichst überlegt, was sie wollte. Sie
wollte wirklich mit ihm schlafen! Marc würde ihr das nun nicht mehr glauben.
Das Leben liebte sie nicht mehr, schon lange nicht mehr. Sie
musste endlich begreifen, dass sie nie wieder ein ganz durchschnittliches Leben
führen würde. Sie musste ihn gehen lassen, denn sie würde ihn unweigerlich mit
in ihren tiefen Sumpf hinunterziehen.
Wenn du ihn liebst, dann lass ihn los! Schicke ihn fort, und
lass ihn gehen und sein Leben leben!, forderte sie ihre innere Stimme auf. Wie
konnte sie das Kostbarste in ihrem Leben freiwillig wegschicken? Sie begann
unwillkürlich zu schluchzen. Sie hatte schon wieder einmal das Liebste
verloren. Du darfst einfach keinen Menschen mehr lieben!, dachte sie. Alle
Menschen, die du aufrichtig und vorbehaltlos liebst, werden dich verlassen!
Zuerst die Kinder, dann deine Eltern, und jetzt war Marc an der Reihe.
Marc starrte Löcher in die Luft. „Christina!“, holte er sie
ganz leise aus ihren Gedanken. „Was war das gerade? Was ist mit dir passiert?“
Christina blieb unverändert liegen. Wenigstens redete er noch mit ihr! „Es tut
mir so leid, Marc! Du musst mir glauben, dass ich es von ganzem Herzen wollte!
Glaubst du mir das?“
„Ich weiß es nicht. Ich weiß wirklich nicht mehr, was ich
glauben soll.“ Sie konnte die tiefe Enttäuschung in seiner Stimme hören, und
gleichzeitig war sein „Ich weiß es nicht“ wie ein Schlag ins Gesicht. Es quälte
sie ungeheuer, dass er sich ihrer nicht mehr sicher war. „Christina, du hast
Angst vor mir, und das macht mich einfach krank. Ich hätte niemals vermutet,
dass ich dir solche Furcht einjagen könnte.“
Sie sprach immer noch gegen die Wand. „Das stimmt nicht,
Marc! Ich habe keine Angst vor dir! Bitte, das darfst du bitte nicht denken! Es
war nur auf einmal ... “
Marc unterbrach sie: „Was war auf einmal? Habe ich etwas
falsch gemacht? War ich zu grob oder zu fordernd? Habe ich dir wehgetan, oder
war ich vielleicht zu schnell bei der Sache? Was, Christina? Was denn nur? Nun
sag’ es mir doch endlich!“
„Er war da“, wimmerte sie.
„Wer?“
„Ángel. Du warst plötzlich Ángel. Es war ganz plastisch. Ich
habe ihn sogar sprechen hören, Marc!“, schrie sie schon fast panisch. „Er
starrte mich mit diesem widerlichen irren Blick an. Er hielt mich fest und
drückte mir den Hals zu. Sí, amor, así amor!, schrie er unentwegt. Es tat so
weh, es tat so furchtbar weh!“, weinte sie. „Es war genauso wie damals, als
wenn er noch lebendig wäre. Und dann war da überall nur noch Blut! – Ich habe
das nicht gewollt, Marc! Ich dachte, ich schaffe das! Ich würde es mir so sehr
wünschen!“ Sie schluchzte leise vor sich hin.
Marc schaute zum ersten Mal zu ihr hinüber. Wie ein
verstörtes Mädchen lag sie zusammengekauert, den Rücken zu ihm gedreht, auf der
linken Seite. Gewöhnlich war sie sehr darauf
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